Allgemein, Familienleben

Bucket List für das Jahresende – oder ein Stück zurück gewonnene Freiheit

Meine Angst vor dem Autofahren nervte und blockierte mich selbst so sehr, dass ich mich ihr im vergangenen Jahr stellte.

Nachdem ich für meine Angst gefühlt nicht allzu viel Verständnis erntete, war ich überrascht von der Resonanz, die auf diesen Beitrag kam. Positive Resonanz und viele Nachrichten von Leuten, denen es ähnlich geht.

2003 hatte ich meinen Führerschein gemacht. Die Theorie hatte ich mit 0 Fehlern bestanden, aber in der Fahrprüfung hatte ich mich „nicht gerade mit Ruhm bekleckert“, wie mir der Prüfer mitteilte, während er mir den Führerschein dennoch aushändigte.

Mein damaliger Freund empfing mich anschließend an der Fahrschule vor MEINEM Auto, einem rostigen, alten Seat Ibiza, mit den Worten „Dann kannst Du ja jetzt ALLEINE zur Arbeit fahren“. Ich zeigte ihm einen Vogel und trottete zur Bahnhaltestelle. Von Essen nach Mülheim an der Ruhr über die A40. Der hat sie ja nicht mehr alle!

Hatte er auch nicht… aber ich brauchte zu dem Zeitpunkt noch eine ganze Weile um das zu durchschauen.

Trotzdem dauerte es damals nicht lange und ich fuhr. Ich fuhr über die Autobahn, ich fuhr in enge Parkhäuser, ich fuhr fremde Strecken. Und ich fuhr sogar die 80 Kilometer bis zu meinen Eltern.

Ein dreiviertel Jahr später trennte ich mich von meinem Freund. Und von meinem Auto, das ich mir neben meinem kleinen Apartment während der Ausbildung nicht mehr leisten konnte.

Von da an fuhr ich Bahn. In der Stadt, mit guter Anbindung ist das auch völlig unproblematisch.

Doch dann kamen irgendwann die Kinder und zunehmend Arzt- und Therapietermine… und Verabredungen (der Kinder). Und mit jedem Termin merkte ich wie mich die Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln richtig stressten.

Außerdem ist es doch einfach verrückt, dass man mit dem Bus eine Stunde zu einem Termin braucht, mit dem Auto aber in 10 Minuten da ist.

Wir überlegten lange, ob wir uns ein zweites Auto leisten konnten und wollten, aber eigentlich gab es da nichts zu überlegen. Unser Alltag ließ für solche Überlegungen keinen Raum und keine Urlaubstage.

Es brauchte einen Moment bis ich mich tatsächlich überwand und hinter das Lenkrad setzte. Nach einem guten Jahr fahre ich zwar immer noch nur so viel wie nötig, aber ich fahre. Zum Kinderarzt, zu Therapieterminen, in die Porzer City, zum Reitstall, zu Soneas Schule und ein paar Meter weiter Vincent und seinen Freund zum Taekwondo. Ich fahre einkaufen und liebe es, obwohl es mich immer noch stresst, wenn ich keine großzügige Parkplatzwahl habe. Tanken mache ich inzwischen selbst. Im Dunkeln fahre ich grundsätzlich nicht gerne, weil ich nachtblind bin und ich hasse es seitlich einzuparken (Grüße an die regelmäßig verärgerten Nachbarn). Und ich fahre auch nach einem Jahr immer noch keine Autobahn.

Bis auf eine Ausnahme. Neulich war ich mit den Kindern einkaufen und weil ich es vermeiden wollte an der Ausfahrt links in den Verkehr abzubiegen, bin ich eben rechts abgebogen und die nächste Möglichkeit wieder rechts. So komme ich auch nach Hause. Dachte ich.

Ja und dann hörte ich nur Vincent überrascht vom Rücksitz rufen „Mama! Du fährst ja auf die Autobahn!“ bevor ich es selbst überhaupt realisierte.

„Scheeeeiiiiißeeee!“ war die einzige Antwort, die mir in diesem Moment einfiel.

„Kannst Du nicht umdrehen?“ fragte er mich noch verständnisvoll, aber da war ich schon im großen Freischwimmerbecken, umzingelt von Autos.

„Du machst das genau richtig Mama! Du bist total konzentriert! Das ist gut und wichtig auf der Autobahn! Das macht der Papa auch immer so!“ plapperte er auf auf der Rückbank aufgeregt und ermutigend auf mich ein. Und obwohl ich wirklich Herzklopfen bis zum Hals hatte und mir ein kleines bisschen zum Heulen zumute war, musste ich doch ein wenig schmunzeln. Über die süßen Worte der Kinder und ein wenig stolz darüber, dass ich eine neue Hürde genommen hatte.

Eine Wiederholung gab es trotzdem erstmal nicht. Auch wenn diese Autobahnstrecke mir bei diversen Fahrten einen großen zeitlichen Vorsprung geben würde.

Aber es arbeitet in mir. Die waghalsige Stimme in mir muntert mich immer wieder abenteuerlustig auf und sagt „Komm! Mach! Das packst Du schon!“ und die übervorsichtige Stimme mahnt „Nee, bitte lass Dir noch ein bisschen Zeit…“.

Wovor ich Angst habe, kann ich gar nicht genau sagen. Zum einen machen mir der Spurwechsel und die Geschwindigkeit Angst. Und dann hatte ich vor 15 Jahren einmal fast einen Auffahrunfall auf einer Autobahnbrücke, der böse geendet wäre, wenn ich nicht im letzten Moment ausgewichen wäre. Irgendwie habe ich das nie so richtig verarbeitet.

Aber ich bleibe dran. Außerdem wissen meine Kinder dank meiner Angst vor dem Autofahren, dass es nicht schlimm ist Angst zu haben. Dass es mutig ist sich seiner Angst zu stellen und man Ängste überwinden kann, wenn man fest entschlossen ist.

Einige Male haben die Kinder bei mir im Auto gesessen, als ich mich Situationen gestellt habe, die mir Angst machten. Ich rede immer sehr offen mit ihnen darüber. Überhaupt liebe ich die Gespräche mit den Kindern im Auto. Sie sind irgendwie immer besonders.

Und da ist Lissy, die vor einem Jahr immer ganz komische Geräusche gemacht hat, wenn sie mit mir Auto gefahren ist. Zuerst hatte ich mich über das Quietschen gewundert, obwohl die Scheibenwischer nicht aktiv waren. Bis ich dann realisierte, dass mein Hund auf meine Angst reagierte.

Das Quietschen ließ irgendwann nach und Lissy springt inzwischen motiviert auf den Rücksitz, wenn ich die Autotür öffne, rollt sich zusammen und hält ein entspanntes Nickerchen . Genau so wird das Autofahren auf gewohnten Strecken immer selbstverständlicher für mich. Nein, ich schlafe nicht ein, aber die Nervosität und das Herzklopfen schwinden. Der Adrenalinpegel sinkt proportional zur Lautstärke des Radios.

Meine zurück gewonnene Freiheit macht mich glücklich. Aber manchmal auch noch ein bisschen Angst.

Ich hatte mir im vergangenen Jahr vorgenommen bis zum Jahresende auf der Autobahn zu fahren. Vielleicht schaffe ich es ja zu diesem Jahresende…

 

 

 

18 Kommentare

  1. Und ich dachte, ich wäre mit meiner Angst alleine. Danke dir!
    Herzlich, eine stille Mitleserin .

  2. Meine liebe Katha,
    Du weißt ja ein gemütliche Sofa und viel Zeit und Ruhe zum quatschen warten nur wenige Autobahnkilometer von Dir entfernt auf Dich – sobald Du bereit bist :*

    Nele

  3. Andrea sagt

    „…und Lissy springt inzwischen motiviert auf den Rücksitz, wenn ich die Autotür öffne, rollt sich zusammen und hält ein entspanntes Nickerchen . …“

    Bitte sichert die Hundedame gut im Auto. Um ihret- und um euretwillen.

    https://www.facebook.com/stiftungwarentest/videos/10157019770673332/

    Bei ihrer Größe sollte es auch eine Kunststoffbox tun, die quer hinter dem (Bei-)Fahrersitz im Fußraum steht.
    https://www.adac.de/infotestrat/tests/crash-test/haustier_im_auto/default.aspx
    -> Fazit
    -> Crashtest Transportboxen

    Weiterhin gute Fahrt!

    • Dass der Hund gesichert und angeschnallt mitfährt, ist obligatorisch. Auch wenn ich es im Text nicht so kleinschrittig beschrieben habe. Erst wenn alle angeschnallt sind, wird losgefahren 🙂

      Liebe Grüße
      Katharina

      • Andrea sagt

        Da bin ich ja beruhigt. 🙂 Es gibt leider noch immer viel zu viele Menschen, die das Risiko unterschätzen.

        Viele Grüße
        Andrea

  4. Larissa sagt

    Hallo,

    ich (22 Jahre, Studentin) habe meinen Führerschein erst letzten Sommer gemacht. Gefühlt ist mir noch nie etwas so schwergefallen wie das Autofahren. In der ersten praktischen Prüfung bin ich auch glatt durchgerasselt… Autobahn… Ich hatte unfassbar viele Fahrstunden, das Problem war vor allem meine Angst. Beim zweiten Mal hat es schließlich geklappt. Da ich kein eigenes Auto finanzieren kann, mache ich Carsharing. Meine erste Fahrt allein mit einem fremden Auto war die Hölle… aber es klappte prima! Seitdem fahre ich mehrmals im Monat, z.B. zur Gesangsstunde. Ich meide auch konsequent die Autobahn, da hätte ich gern jemanden mit Erfahrung auf dem Beifahrersitz. Stück für Stück wird es besser und die Panik lässt nach. Nur nicht den Mut verlieren! Und eins nach dem anderen! Liebe Grüße, Larissa

  5. Früher hatte ich auch ziemliche Angst vor der Autobahn.
    Aber auf dem Land kommt man ums Autofahren kaum drumrum. Dazu kam ein Hobby, bei dem man oft entlegene Gegenden aufsucht, mit viel Gepäck beladen. Mit ÖVP nur äußerst umständlich bis unmöglich zu bewältigen.
    Damals fand ich es blöd, dass ich fahren MUSSTE, um an meine Ziele zu kommen, aber heute bin ich dankbar für die Routine, die mir das gebracht hat. Einparken kann ich immer noch nicht (das ist wiederum der Vorteil vom Landleben, meine Ruhrgebietsfreunde sind mir da um Meilen voraus ;)), aber nach und nach habe ich mich an die Autobahn gewöhnt.
    Und du kannst das ganz sicher auch – ja, am Anfang kann es verdammt beängstigend sein, aber mit der Zeit verliert die Autobahn ihren Schrecken 🙂 Wenn es sehr voll ist, überhole ich halt nicht. Vielleicht komme ich eine Viertelstunde später an, aber so what?

  6. Sandra sagt

    Hallo,
    Ich bin beeindruckt von Deinem Mut, Dich dieser Situation zu stellen…weitermachen!
    Jeder hat Angstthemen. Diese zu bewältigen, ganz alleine, kostet Kraft.

    Meine Mama fuhr 20 Jahre nach der Fahrprüfung nicht, es gab einfach kein 2. Auto und der EINE Trabant war zu wertvoll. Dann lernte sie es nochmal, neben mir, als ich 20 war… und sie fuhr. Sie kaufte sich ihr erstes Auto mit 42.
    Ich fahre inzwischen ganz selbstverständlich durch Deutschland , um sie zu sehen. Mama ist stolz auf mich.
    🙂
    Vielleicht hilft Dir ein Ziel am Ende einer Autobahn mal dazu, sie sorglos zu benutzen…das Meer zum Beispiel.

    Herzlichst Sandra

  7. Liebe Katharina,
    so einen Fast-Unfall hatte ich auch mal.. Seither meide ich Autobahnen wo ich kann. Da wir kein eigenes Auto haben (oder zahlen könnten) kommt es nicht oft vor, dass ich fahre…
    Was mir aber auf jeden fall hilft ist, wenn das Fahrzeug ordentlich beschleunigen kann und ich insgesamt das Gefühl habe, dass es zuverlässig fährt.
    Das Fast-Unfallauto damals war in 18 Jahre alter Fiat Panda… Damit würde ich heute höchstens noch einparken :p Das war das Einzige was gut geklappt hat damit. Klein war das Ding, leider auch seehr langsam.

    Ich hoffe du hast ein sicheres Fahrzeug, das zügig beschleunigen kann und wünsche dir allzeit gute Fahrt. <3
    Liebe Grüße,
    Melly

  8. Das find ich ja mal super! Ganz ehrlich! Ich bin die ersten Jahre nach dem Führerschein nur gefahren, was ich musste, dann gar nicht… und dann … war ich plötzlich Fahrer für alle möglichen, weil im ganzen Bekanntenkreis der einzige mir Führerschein. Und ich hatte einen Nebenjob, in dem ich einfach nicht gefragt wurde, ob ich fahren will. Es wurde vorausgesetzt, dass ich fahre. Am Ende – für mich genau das richtige. Autobahn bin ich allerdings die ersten zehn Jahre nicht gefahren. Dann einmal weil der Zeitunterschied doch zu groß gewesen wäre… dann nochmal, gleicher Grund. Dann ein drittes mal… weil mich der Gedanke an die Laster auf der Landstraße genervt hat. Und als ich da so am fahren war, schoss mir durch den Kopf: Wenn du wegen so einem Scheiß auf die Autobahn fährst, kannst du’s auch gleich immer machen…

    (Heute fahre im im Monat um die 3500 km (2x Brüssel-Bayern und zurück & was halt sonst so an Strecken anfällt)

  9. Silke knöller sagt

    Ich wünsche dir noch ganz viel mit für die autobahnfahrten… ich fahre immer ganz rechts hinter den lkw….kostet auch nicht mehr Zeit….zum Glück ist es hier bei uns in der Stadt anders…. Auto ist eine Qual und es dauert ewig irgendwo hin, mit Straßenbahn und Fahrrad ist es viel schneller, selbst das einkaufen mit Wägelchen;) keine Umleitungen keine Baustelle keine Parkplatzsuche und vorallem nicht einparken bei uns in der Tiefgarage…..

    Liebe Grüße und eine schöne Adventszeit

    • Ja, wenn ich auf die Autobahn fahren sollte, bleibe ich auch erstmal lieber rechts.

      Und ich wohne zum Glück ja auch nicht mitten in der Stadt, sondern etwas außerhalb, so das die Bedingungen auch etwas gnädiger sind.

      Liebe Grüße
      Katharina

  10. Du schaffst das sobald du bereit bist!

    Und am Ende der A59 warte ich mit Pizza, Pasta, Plätzchen oder was auch immer du dir wünschst 😘😘😘

    Küsschen, Nina

    • Glutenfrei? Damit lockst Du mich jetzt aber nicht gerade aus der Reserve 😀

      Ich freue mich trotzdem schon drauf! Und zum 20 jährigen Abi bin ich fest entschlossen mich nicht fahren lassen zu müssen .

      Dicken Kuss

  11. Guten Abend,
    Ein schöner Beitrag der Mut macht.
    Ich hab seit 10 Jahren meinen Führerschein aber bin schon etwa 4-5 Jahre nicht gefahren. Ich nehme mir seit über 1 Jahr vor, mal wieder zu fahren und zu üben, bisher hat es noch nicht geklappt. Aber das muss ich unbedi Gt mal hinbekommen. Es ist nervig bei Dienstreisen mit der Bahn zu fahren weil man da das dreifache an Zeit braucht. Und wenn irgendwann ein zweites Kind dazu kommt, ist es sowieso nötig.
    Deshalb danke für den Beitrag 😀
    Viele Grüße
    Lisa

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