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Mein Leben mit dem Besonderen #72 Lupus

Vielleicht ist es Lupus? Diesen Running gag kennen sicher alle, die regelmäßig Dr. House gesehen haben. In der Serie ist es nie Lupus (bis auf einmal), doch es gibt allein in Deutschland knapp 40.000 Betroffene, Seals Narben im Gesicht stammen vom Lupus. Ich bin eine der 40.000 und dies ist mein Leben.

Aktuell freut sich jeder über Sonne, alles strömt raus und genießt das tolle Wetter. Doch wir Lupusbetroffenen müssen die Sonne meiden, sie löst Schübe aus, die lebensbedrohlich werden können.

Mich plagten seit der Pubertät immer wieder massive Haarausfallschübe, die kein Hautarzt (ich war bei über 20!) erklären konnte. Eine neue Hautärztin hatte dann aber 2008 endlich den richtigen Riecher und nahm Blut sowie eine Biopsie der Kopfhaut und ließ dies im Labor untersuchen. Dann stand es fest: Lupus erythematodes, kurz Lupus. Eine Krankheit, die das Wort „Todes“ in sich trägt?

Lupus ist eine Autoimmunkrankheit, die zum rheumatischen Kreis gehört und kann Gelenke, Organe, Haut sowie das Zentrale Nervensystem betreffen. Ganz typisch für Lupus ist ein schmetterlingsförmiger Ausschlag im Gesicht. 

Autoimmunerkrankung bedeutet, dass das Immunsystem quasi hyperaktiv ist, so aktiv, dass es statt gegen Bakterien, Viren und Co. gegen das eigene Körpergewebe schießt. Das heißt auch, dass man infektanfälliger ist und in Grippezeiten Kino, Konzert und Co. meiden sollte.

Die Ärztin meinte, ich solle die Sonne und Stress meiden, ein Anti-Malaria-Mittel als Basismedikation einnehmen, es sei nicht heilbar, aber therapierbar. Ein Medikament nur für den Lupus gebe es (noch) nicht, man behelfe sich hier mit den Anti-Malaria-Mitteln, Chemotherapien, Cortison und Schmerzmitteln. Ich fuhr nach Hause und googelte erstmal fleißig, las schockierende Nachrichten, dass viele gestorben seien, keine Kinder haben können, nicht mehr arbeiten können und früh berentet wurden. So fiel ich in ein tiefes Loch. Doch nach einigen Wochen Therapie und dem wunderbaren Zusammenhalt in der Lupusgemeinschaft, merkte ich, dass es mir stetig besser ging. Die Haare fielen nicht mehr so massiv aus, die Gelenke schmerzten weniger und irgendwie merkte ich, dass mit dieser Diagnose mein ganzes Leben erklärt wurde. Schon als Kind war ich immer die, die bei Regen rausging, selten bei Sonne. Instinktiv habe ich meist auf dem Schulweg, der per Rad zurückgelegt wurde, auch im heißesten Sommer, immer lange Sachen getragen. Nach Sonneneinstrahlung tat mir alles weh, ich bekam Fieberschübe, fühlte mich immer wieder richtig krank und niemand konnte es erklären. Dazu kamen eklige Migräneschübe, die mein Schulleben massiv beeinträchtigten, auch diese sind heute gut im Griff. Alles hing zusammen, doch damals war die Diagnose noch zu unbekannt. Es waren immer wieder Phasen, in denen es mir sehr schlecht ging, doch niemand konnte so richtig helfen und ich musste mich irgendwie durchschlagen, was mal schlechter, mal besser gelang. Jeder Arzt bei dem ich war, meinte, ich sei halt ein heller Hauttyp, der nicht viel Sonne verträgt. Das war ihre Erklärung, damit war es für sie erledigt.

Dann war da noch diese Geschichte mit dem Kinderwunsch. Überträgt sich der Lupus auf´s Baby? Es sei nicht vererbbar las ich immer wieder und Mitte März 2010 war ich tatsächlich schwanger, genoss eine lupusfreie Schwangerschaft und im November 2010 kam dann unser kleiner Sohn auf die Welt. Meine Rheumatologin und mein Gynäkologe haben in der gesamten Kugelzeit wunderbar zusammengearbeitet und mich hervorragend betreut. Sie beruhigte mich immer wieder, dass es ein Junge sei, wo die Wahrscheinlichkeit gering sei, dass er diese Krankheit bekommt. Doch ich geriet in Panik, als er das erste Mal rote Bäckchen hatte, weinte „lass uns nach Gießen in die Kinderrheumaklinik fahren, er hat auch Lupus!“. Mein Mann beruhigte mich erstmal, dass es wohl wahrscheinlicher sei, dass er Fieber habe, Zähne bekomme oder oder oder. Der Spruch „er hat aber schöne rote Bäckchen“ macht mir weiterhin ein mulmiges Gefühl im Bauch. Gesunde Menschen sehen dies als Zeichen von Gesundheit, für uns Lupies sind rote Bäckchen aber Zeichen der Krankheit.

Vor zwei Jahren ging es mir jedoch immer schlechter, ich schlief nur noch die meiste Zeit, um nachmittags Kraft für mein Kind zu haben. Damals brachte der kleine Mann auch jeden Infekt aus der Kita mit, und ein harmloser Schnupfen kann sich bei mir zu einer Lungenentzündung entwickeln. Dann starb auch noch mein Vater plötzlich und ich rutschte in einen schlimmen Schub. Alles schmerzte, Fieberschübe, Haarausfall, ich war nur noch müde, Leben konnte man das nicht mehr nennen. Meine Rheumatologin verschrieb mir ein Chemotherapeutikum, zwar weniger stark als bei Krebserkrankungen, jedoch nicht ganz ohne. Es sollte vorübergehend gegeben werden, bis der Schub vorbei ist. Schnell ging es mir wieder besser, ich hatte Kraft für Haushalt, Kind und überhaupt für´s Leben. So doof es klingt, ich hatte dadurch mein Leben zurück und nehme es, geringer dosiert, auch heute noch. Seit kurzem steht auch fest, dass der Lupus schläft, ich bin in Remission. Nehme aber weiterhin, über den Sommer, die Medikamente so wie vorher. Im Herbst sehen wir weiter.

Ich vermeide Sonneneinstrahlung. Lichtschutzfaktor 50 und eine Sonnenbrille sind meine ständigen Begleiter. Kinder lieben es, draußen zu sein, das ist nicht immer ganz einfach. Der kleine Mann weiß schon, dass es nicht immer geht, er ist da recht verständig und dafür machen wir dann drinnen etwas Tolles, gehen meist erst gegen 16 Uhr raus. Mit Lupus ist kein Tag wie der andere, das Leben wird schlecht planbar. Dafür hat nicht jeder Verständnis. Ich habe aber wunderbare Freundinnen, die mich verstehen, unterstützen und für mich da sind. Es gibt Tage, da schafft man es nicht, die geplante Verabredung einzuhalten. Sich aufzuraffen kostet einfach zu viel Kraft. Immer wieder haben wir jedoch mit Vorurteilen zu kämpfen: „Du siehst gar nicht krank aus.“ „Müde bin ich auch, stell dich nicht so an.“ „Sonne hat noch keinem geschadet, ganz im Gegenteil.“ „Dir tut auch immer was weh, du bist empfindlich.“ „Was, du kannst doch unmöglich immer noch krank sein.“ Solche Sprüche sind verletzend, niemand kann wirklich nachvollziehen, wie es einem mit Lupus (oder anderen chronischen Erkrankungen) wirklich geht, aber jeder will Senf dazu geben. Eine amerikanische Mit-Lupie hat so die Löffeltheorie kreiert. (http://lupus-austria.jimdo.com/leben-mit-lupus/umgang-mit-der-krankheit/l%C3%B6ffeltheorie/) Diese besagt, dass man morgens beim Aufstehen eine bestimmte Anzahl von Löffeln hat und jede Aktivität kostet einen Löffel. Wenn diese aufgebraucht sind, geht nichts mehr. So hat sie ihrer Freundin zu erklären versucht, was es bedeutet, Lupus zu haben. Diese Theorie wurde mittlerweile in zig Sprachen übersetzt und hilft uns, die Krankheit zu erklären.

Mein Alltag heute besteht aus möglichst viel Ruhe, um Kraft für den Alltag zu haben. Ich lese gern, häkle, spinne und nähe. Aktuell bin ich schubfrei, bin aber trotzdem vorsichtig, will nichts riskieren. Große Veranstaltungen versuche ich zu vermeiden, da mich sowas zu sehr anstrengt und die Infektionsgefahr hoch ist. Manches lasse ich mir aber nicht nehmen und genieße neben der wichtigen Zeit mit Familie und Freunden, ab und an Handballspiele oder Auftritte des Vollplaybacktheaters – ich bin die Chefin, nicht der Lupus!

4 Kommentare

  1. Knodel Inge sagt

    Hallo! Ich habe keinen Lupus und bin sehr dankbar das ich davon verschont geblieben bin. Gut, dass Du nun eine Diagnose hast. Ich bin ca. 10 Jahre von Arzt zu Arzt und Kliniken gependelt bis ich meine Diagnosen hatte. Ich habe eine andere Autoimmunerkrankung (Histaminintoleranz) nebenbei ein klein wenig Weichteilrheuma und Arthrose in fast allen Gelenken. Es ist wirklich nicht immer einfach mit mir. Dazu bin ich auch noch ausgesprochen stur halt ein Widder. Aber mit den Jahren habe auch ich gelernt Hilfe an zu nehmen und nein zu sagen. Das Nein sagen ist mir sehr schwer gefallen und ich treffe auf viel unverständnis. Seit dem 4.1.2000 bin ich berentet. Im Moment stecke ich gerade in einem Schub und kann mich nur schwer zu etwas aufraffen. Aber auch ich lasse mich nicht unterkriegen und spreche jeden Tag mit meinen Schmerzen und kleineren Gebrechen. Ich umgebe mich nur noch mit Menschen und Dingen die mir gut tun. Auch Du bist auf dem richtigen Weg. Viel Liebe und Kraft für die Zukunft. Liebe Grüße Inge

  2. Ani Lorak sagt

    Hallo, danke für das Teilen, das Bewußtsein schafffen. Ja – das ist normal, gesund verdrängt man alles, was mit Krankheiten einhergeht und hat auch wenig Verständnis. Gut, dass die eine Diagnose hast. Ich stelle mir vor, am schlimmsten ist die Ungewißheit und evtl. das Nagen in einem, dass es was psychisches ist, Einbildung etc. Ich drücke die Daumen, das hier weiter geforscht, dass es Mittel gibt, die helfen die Krankheit im Zaum zu halten und Kraft, Deine Einstellung zu behalten und viel Unterstützung und Verständnis Deines direkten Umfeldes. Alles Gute

  3. Feliundmarc@web.de sagt

    Ich habe die Diagnose ganz neu und offiziell seit ein paar Stunden (steht aber seit Jahren im Verdacht) und habe in den letzten Jahren auch instinktiv Sonne gemieden. Die Löffeltheorie habe ich in vielfacher Anzahl kopiert und zu meinem „Krankheitenflyer“ in den Rucksack gesteckt. Bevor ich diskutiere und mich rechtfertigen muss, gibs erstmal was zu lesen😉 Viel Kraft für den hoffentlich weiterhin „sonnenfreien“ Sommer…..

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