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Mein Leben mit dem Besonderen #31 Schritt für Schritt ins Leben

Stephan verzaubert die Menschen immer wieder mit seinem Lächeln, seiner Ausstrahlung, seinem Lebenswillen, seinem Kampfgeist oder durch seine Geschichte. Seine Geschichte ist lang, traurig, vielleicht auch einzigartig, doch auch Stephan ist einzigartig. Er kämpft sich seit vielen Jahren „Schritt für Schritt ins Leben“.

Im August 1992 erblickte Stephan viel zu klein und mit äußerlichen Missbildungen (weiter Augenabstand, hochgradig geblähter Abdomen, Hypospadie und eine Missbildung des Brustkorbes) das Licht dieser großen weiten Welt. Schon während der Schwangerschaft war er ein ungewolltes kleines Wesen mit einem enormen Kampfgeist. Seine Mutter nahm während der Schwangerschaft Alkohol und Drogen zu sich und gab Stephan nach der Geburt zur Adoption frei. Somit verbrachte dieser kleine Kämpfer die ersten 3 Jahre in einem Behindertenheim verbunden mit monatlichen Krankenhausaufenthalten.

Sein Behinderungsbild hat viele Diagnosen die mit ständigen Krankenhausaufenthalten, Arztbesuchen und Therapien verbunden sind. Die Ärzte gaben Stephan eine Lebenserwartung von 6 Monaten und später von 2 Jahren, da er an einem unbekannten Gendefekt leidet. Eine Zuordnung der Chromosomentranslokation zu einer bestimmten Speicherkrankheit war den Ärzten auch nach Literaturrecherchen nicht möglich. Heute steht fest, dass Stephan mit seinem Gendefekt alleine auf dieser Erde ist. Eine genaue Aussage wie die Entwicklung verlaufen wird, konnte niemand sagen. Stephan kämpft sich jeden Tag ein Stück weiter ins Leben. Weder sein Vater, die leibliche Familie, noch die Ärzte glaubten an ihn. Doch er hat es allen gezeigt und feierte im August seinen 23. Geburtstag.

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Ich lernte dieses zauberhafte kleine Wesen kennen, als er 6 Jahre alt gewesen ist. Es war wie Liebe auf den ersten Blick, denn Stephan eroberte mein Herz im Sturm und für mich war klar dass wir einige Zeit zusammen verbringen werden. Das es auf Lebenszeit werden würde, war mir zu diesem Augenblick nicht bewusst. Sein Vater bemühte sich bis Entscheidung des Auswanderns sehr um Stephan. Er kämpfte um das Sorgerecht, das Stephan aus dem Behindertenheim kommt und er den Familiennamen „König“ erhält. Doch verfolgte er schon sehr früh seine Pläne des Auszuwanderns und suchte eine Person für sein Kind. Zu dem Zeitpunkt, als der Vater uns doch ganz besonders seinen Sohn im Stich gelassen hat war Stephan gerade einmal 8 Jahre und ich 24 Jahre alt gewesen. Von jetzt auf gleich war ich Mutter von einem schwerstmehrfach behinderten Kind gewesen. Ich hatte für Stephan mein komplettes Leben aufgegeben und versuchte ihm so gut es ging ein liebevolles Zuhause zu bieten. Es war eine sehr schwierige Zeit und ich kämpfte mich durch sehr viele steinige Wege bei Behörden, Ämtern, Ärzten und vor allem im privaten Bereich. Doch das Lächeln und der Lebenswille von Stephan gab mir immer wieder die Kraft nach vorne zu schauen. Aus jedem noch so kleinen Schritt ergab sich nach langen Mühen etwas Wundervolles und vor allem Brauchbares für Stephan. Es ging nie um mich oder meine Familie, es ging mir immer um Stephan.

Als ich diesen Sonnenschein kennen lernte konnte er nichts, aber aus dem Nichts habe ich ganz viele Fortschritte für seine Selbstständigkeit geholt. Stephan hat eine Pflegestufe III und benötigt eine Rundum Betreuung. Er ist eine so starke Kämpfernatur die immer ein Lächeln übrig hat, so dass ich mir nie die Frage des „Warum“ stellen musste. Er lehrte mich die wichtigen und kleinen Dinge im Leben schätzen und zeigte mir Wege, welche wir zusammen gehen können und bis heute noch immer gehen. So manches Mal wollte ich aufgeben. Doch wer aufgibt hat verloren und zu den Verlierern gehören wir definitiv nicht.

Nachdem ich 4 Jahre mit Stephan alleine lebte, lernte ich 2005 meinen Mann kennen. Er war für uns ein Glücksgriff gewesen, denn welcher Mann nimmt schon gerne eine Frau mit Kind? Fast keiner! Aber welcher Mann nimmt eine Frau mit einem behinderten Kind was nicht einmal ihr leibliches ist? Ich kenne nur einen und mit ihm zusammen haben wir unser Familienglück 2006 vervollständigt. Im Mai 2006 wurde unsere gemeinsame Tochter Lea Fabienne geboren. Für Stephan waren diese zwei Lebenseinschnitte sehr schwierig gewesen, denn ich war vorher immer zu 100% seins gewesen. Jetzt musste er mich mit einem Mann und dann noch mit einem Baby teilen. Es entstanden für ihn sehr große Verlustängste, was er auch sehr stark gezeigt hat. Meinem Mann gab er 4 Monate nicht die kleinste Chance. Der Protest ihm gegenüber war so stark, dass ihm jede Zuwendung zu viel gewesen ist. Lea akzeptierte er erst, als sie anfing zu krabbeln. Doch war es nur ein Nebenher leben, denn Stephan schenkte Lea kaum Aufmerksamkeit. Diese Hürden haben wir wunderbar gemeistert, denn in den Jahren sind wir zu einer sehr starken und glücklichen Familie zusammen gewachsen.

Im April 2015 entdeckte unsere Elli das Licht dieser Erde. Es gab viele Blicke, Kommentare und Meinungen zur Schwangerschaft. Viele verstanden es nicht, warum wir noch ein Kind in die Welt setzen, wenn wir doch schon einen schwerstmehrfach behinderten Jungen haben. Zum Glück ist es unser Leben welches wir leben, lieben und mit Bravour meistern. Es ist sicherlich nicht immer ein einfach Leben. Aber wer möchte das schon? Wir nicht, denn dass wäre uns wahrscheinlich viel zu langweilig .

Mit der Geburt von Elli entstand für Stephan wieder eine neue Situation. Er verarbeitete die Ankunft des kleinen Erdenbürgers jedoch viel besser als bei Lea. Das schönste für ihn ist es, Elli zu beobachten und ihre Nähe zu genießen. Nun gibt es ein wundervolles Geschwisterteam als Dreiergespann. Lea ist Stephans Sonne und auch Elli wird es werden, denn sein Herz hat dieses kleine Wesen bereits erobert.

Wir kämpfen nach wie vor für Stephan sehr viel durch, aber wenn ich in sein Gesicht schaue, weiß ich auch heute noch wofür wir das machen. Ich bereue nicht 1 Minute meines Lebens Stephan aufgenommen und ihm ein liebevolles Zuhause gegeben zu haben. Es gibt Momente wo wir uns mehr Erleichterung von Seiten der Behörden wünschen würden, aber auch damit lernt man zu leben und kämpft sich durch diese.

Neben diesen Kämpfen für ein Stück Lebensqualität von Stephan gibt es viele wunderschöne Momente bei der Durchführung der verschiedenen Therapien wie z.B. der Delphintherapie, der Adeli Therapie, der Hippotherapie und der tiergestützten Intensivtherapie.

Mit ganz viel Liebe, Geduld, Ausdauer, ständigen Üben und dem Kampfgeist von Stephan, ist er soweit in seiner Entwicklung gekommen. Für manchen kleinen Fortschritt üben wir Jahre, doch wir glauben an Stephan und so schafft er es dann auch nach Jahren, alleine aus einer Tasse zu trinken oder einige Meter selbstständig zu laufen. Das sind für uns unbeschreibliche Momente und für Stephan Wahnsinns Fortschritte.

Wir sind sehr glücklich darüber, dass sich unsere Wege so gekreuzt haben. Es war nicht immer perfekt, aber was ist schon perfekt. Ich liebe meine Familie und mit meinen Mann zusammen sind wir sehr stolz auf Stephan, Lea & Elli.

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Neben der Facebookseite erfahrt Ihr auch noch auf der Homepage mehr über Stephan und seine Familie.

4 Kommentare

  1. Verena sagt

    Ihr seid herrlich; schön, dass es noch solche Menschen wie Euch gibt. Gerade habe ich Tränen in den Augen, weil ich wegen Eurer Geschichte so gerührt bin. Macht weiter so…

  2. Annika sagt

    Toll! Einfach nur im hohen Maße bewundernswert!
    Was LIEBE doch bewirken kann! Die Liebe von allen Seiten aus deiner Familie.
    Ich ziehe den Hut vor allen, die bisher einen Text zu diesem Thema veröffentlicht haben; aber vor euch als Familiengespann besonders!

    Liebe Grüße von Annika

  3. Eure Geschichte rührt mich zu tiefst. Es ist schön, zu sehen, dass es auch noch Menschen auf diesem Planeten Erde gibt, die für andere da sind. Ich glaube die Begegnung mit dir war das beste, was dem heute jungen Mann passieren konnte. Das, was du, dein jetziger Mann und auch deine Tochter leisten, ist beachtlich und verdient den vollsten Respekt. Alles Gute für euer weiteres Zusammenleben und ein noch hoffentlich langes Leben für Stephan.

    LG Katrin

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