Es ist so eine Sache mit dem Veröffentlichen seiner Lebensgeschichte oder einem Teil davon – besonders, wenn es sich dabei um sehr emotionale Angelegenheiten handelt. Ich habe mich dafür entschieden, weil ich mit meiner Geschichte Mut machen und zeigen möchte, dass man aus allem heraus- und in alles hineinwachsen kann.
Unser inzwischen fast 7-jähriger Sohn Christopher ist ein absolutes Wunschkind; er kam zwar ein paar Monate früher als eigentlich geplant zu uns, aber dessen ungeachtet waren wir überaus glücklich, als er nach einer größtenteils unbeschwerten Schwangerschaft endlich in unseren Armen lag. Sämtliche zusätzlichen Vorsorgeuntersuchungen hatte ich während der Schwangerschaft abgelehnt, da mir schon immer klar war, dass für mich eine Abtreibung nie in Frage käme.
Bereits kurz nach Christophers Geburt wussten wir, dass irgendwann noch ein Geschwisterchen folgen sollte. Nach drei Jahren war ich dann mit unserem zweiten geplanten Wunschkind schwanger. Ich erwartete zu meiner größten Freude ein Mädchen. Auch dieses Mal verzichtete ich bewusst auf alle zusätzlichen Untersuchungen.
Bei einer Routine-Untersuchung in der 26. Woche teilte mir mein Frauenarzt mit, unser Baby sei retardiert, d. h. wachstumsverzögert. Er bat mich, einen Termin mit einem Pränataldiagnostiker auszumachen, um sicherzustellen, dass der Fötus in meinem Bauch gut versorgt wird. Zu diesem Zeitpunkt dachte ich nicht im Traum daran, dass mit unserem Töchterchen irgendetwas nicht in Ordnung sein könnte. So etwas passiert doch immer nur den anderen… In der 27. Schwangerschaftswoche, am 31. Januar 2012, hatte ich meinen Termin zum Organultraschall. Dieses Datum werde ich wohl nie vergessen. Anfangs verlief alles bestens; der Arzt schallte, sagte mir, es sei ein Mädchen und es hätte schon ganz viele Haare. Die Versorgung des Fötus sei sehr gut. „Na also“, dachte ich, „hab ich´s doch gewusst. War mal wieder alles nur Panikmache.“ Nach der Untersuchung verließ der Arzt den Raum und meinte, er käme gleich wieder. Ich wartete gut gelaunt auf ihn und strahlte ihn an, als er ins Sprechzimmer zurückkam. Aber irgendwie war er komisch. Er setzte sich mir gegenüber und sagte, unser Kind hätte einen Herzfehler. Was in diesem Moment in mir vorging, ist schwer zu beschreiben. Ich realisierte das Gehörte zuerst gar nicht und glaubte es auch nicht. Daraufhin eröffnete er mir, zu fünfzig Prozent hätte unser Baby auch noch das Down-Syndrom. So langsam fing ich an zu verstehen. Ich war geschockt, erschüttert, fassungslos. Der Arzt fragte mich vorsichtig, was ich jetzt machen wolle und ich antwortete ihm: „Wenn Sie mich jetzt gerade gefragt haben, ob ich mein Kind abtreiben will, so ist meine Antwort: „Nein, auf keinen Fall.“ Ich hatte das Gefühl, dass er aufgrund meiner klaren Worte erleichtert war. Wie in Trance verließ ich die Praxis.
Mein Mann reagierte gelassener. Er glaubte an einen Irrtum der beiden Ärzte. Als die Wahrscheinlichkeit, dass wir ein Trisomie-Baby bekommen würden, aufgrund der vielen nachfolgenden Ultraschall-Untersuchungen immer höher wurde, sagte er eines Tages zu mir, es sei ihm total gleichgültig, ob unsere Tochter das Down-Syndrom habe oder nicht; für ihn würde dies keinen Unterschied machen. Er hat sich diesbezüglich von Anfang an großartig verhalten, was ich ihm hoch anrechnete und es immer noch tue. Ich brauchte ungefähr drei Wochen, um mich an den Gedanken zu gewöhnen, dass mit unserem Mädchen nicht alles „normal“ war. Danach konnte ich den Rest meiner Schwangerschaft jedoch relativ unbeschwert genießen.
Damit wegen des Herzfehlers sofort nach der Geburt Fachärzte anwesend sein konnten, empfahl man uns, in einer recht nahe gelegenen Uniklinik mit angegliederter Kinderkardiologie zu entbinden, womit wir uns einverstanden erklärten. In der 36. Schwangerschaftswoche setzten 3,5 Wochen vor dem errechneten Termin die Wehen ein. Nach einer sehr raschen Spontangeburt erblickte unsere winzige Amelie das Licht der Welt. Dass sie ein kleines Sonnenkind war (und natürlich immer noch ist), sah man sofort. Das war uns aber vollkommen egal; wir liebten und lieben dieses zarte kleine Wesen von ganzem Herzen. Sechs Wochen später durften wir endlich mit unserem Sonnenkind und Herzmedikamenten im Gepäck nach Hause.
Nun stand uns aber noch eine riesige Herausforderung bevor, an die ich in den folgenden Monaten gar nicht denken durfte: Die lebensnotwendige Herz-Operation. Amelie hatte drei Löcher im Septum, d. h. in der Herzscheidewand, die operativ korrigiert werden mussten. Man hatte uns schon in der Schwangerschaft darüber aufgeklärt, dass man einen solchen Eingriff – wenn es vorher nicht unbedingt sein müsse – frühestens durchführen würde, wenn das Kind ein Gewicht von fünf Kilo erreicht hätte. Je schwerer unsere Minimaus nun also wurde, desto näher rückte der Termin, vor dem wir uns so fürchteten. Fünf Monate nach ihrer Geburt war es dann soweit.
Wir fuhren mit unserem kleinen Mädchen und bangen Herzen in die Uniklinik. Am nächsten Tag wurde Amelie für die große Operation vorbereitet. Der Anästhesist versicherte uns, der Eingriff sei kein Problem, wir würden das schaffen. Als ich mich frühmorgens im Narkoseraum unter Tränen von unserem Töchterchen verabschiedete, hatte ich ein äußerst ungutes Gefühl. Man wollte uns nachmittags benachrichtigen, wenn wir unser Kind sehen durften. Aber es meldete und meldete sich niemand. Wir riefen mehrmals in der Klinik an und erhielten immer wieder die Auskunft, Amelie sei noch nicht auf die Intensivstation gebracht worden. Wir wurden immer nervöser. Irgendwann hielten wir es nicht mehr aus und begaben uns ins Krankenhaus. Ein Arzt kam uns entgegen, erklärte, Amelie sei erst vor einer halben Stunde auf die Intensivstation gekommen und wir müssten uns gedulden. Ich merkte, dass irgendetwas schief gelaufen war und fragte ihn total beunruhigt, ob es ihr gut gehe. Er erwiderte ausweichend, er könne noch nichts sagen; wir bekämen später Bescheid. Also warteten wir mal wieder. Nach einer halben Stunde rief uns ein anderer Arzt in sein Sprechzimmer. Mir schlug das Herz bis zum Hals. Er erklärte uns, es habe direkt nach der Operation Komplikationen gegeben. Amelie hätte sehr starke Herzrhythmusstörungen bekommen und der Brustkorb hätte nach dem Schließen wieder eröffnet werden müssen. Er und sein Kollege hätten gerade zwei Stunden lang um sie gerungen und ihr stärkste Medikamente in höchster Dosierung geben müssen, deren Nebenwirkungen noch nicht abzusehen seien. Wir müssten die nächsten 48 Stunden abwarten. Unsere kleine Zaubermaus, unser heißgeliebtes kleines Sonnenkind, schwebte in Lebensgefahr! Noch nie in meinem Leben hatte ich eine solche Angst.
Nach dem Gespräch durften wir dann zu ihr. Mir zitterten die Knie, als wir ihrem Bettchen immer näher kamen. Dieser winzige Mensch mit diesen vielen monströsen Apparaten, Monitoren, Schläuchen, Kabeln, Verbänden… es war zum Heulen! Die nächsten zwei Tage waren die Hölle. Amelie hatte einen Herzschrittmacher, von dem wir nicht wussten, ob sie je würde ohne ihn leben können; falls sie es überhaupt schaffen würde. 48 Stunden lang ließ man sie im Koma, dann durfte sie nach und nach wach werden. Unsere Kämpferin erholte sich zum Glück zusehends. Von Tag zu Tag ging es ihr besser und nach zwei Wochen durften wir endlich mit unserer kleinen Motte nach Hause. Unser „normaler“ Alltag konnte beginnen.
Ständig für mich da waren in unserer schweren Zeit Irene und vor allem Uta, denen ich an dieser Stelle von Herzen danken möchte. Auch heute noch steht sie mir immer wieder mit Rat und Tat zur Seite. Weiterhin möchte ich mich bei meiner Familie, die für uns eine riesige Unterstützung ist, bedanken.
Amelie ist mit ihren 3 Jahren fast ein Kind wie alle anderen auch: Fröhlich und traurig, nervenaufreibend und pflegeleicht, lieb und trotzig. Sie lacht sehr viel, ist temperamentvoll, ausgelassen, lustig, frech und stur. Ihre Lebensfreude ist ansteckend; es ist schwer, sich ihrer entwaffnenden Art zu entziehen. Andererseits sie ist aber auch sehr einfühlsam und zärtlich und mit ihrer Empathie und ihrer endlosen Liebe rührt sie wieder und wieder mein Herz. Sie zeigt uns die bunten Facetten des – und vor allem ihres – Lebens. Sie lehrt uns, was wirklich wichtig ist. Und obwohl das Leben mit ihr sehr anstrengend sein kann und auch ist, möchten wir keinen einzigen Tag mit ihr missen. Musik liebt sie über alles und in jeder Form; ihre allergrößte Liebe aber gilt ihrem Bruder, ihrem Helden, den sie leidenschaftlich verehrt.
Für mich sind Kinder die größten Geschenke, die man im Leben erhalten kann und ich danke Gott jeden Tag dafür, dass er uns diese beiden, von uns über alles geliebten, wundervollen Wesen anvertraut hat.
Meine Geschichte beenden möchte ich mit Amelies Taufspruch:
„In jedem Kind ist ein Lächeln Gottes und ein tiefer Sinn verborgen.“
(Roland Leonhardt).
Ein wunderbarer Artikel einer ganz tollen Mama über eine ganz große Liebe … ein Kind wie Amelie ist wirklich ein ganz besonderes Geschenk Gottes.
Ihr Lieben,
vielen Dank für diesen wunderschönen Bericht über euer Sonnenkind. Ich kenne sie ja und habe sie vom ersten Augenblick an in mein Herz geschlossen. Es ist unglaublich toll wie ihr das alles gemeistert habt und noch meistert. Mehr Liebe können Eltern ihren Kindern nie geben, wie ihr das macht. Die Kleine ist in der Tat ein Gottesgeschenk. Ich kann nur sagen ich wünsche euch alle Kraft und Gottes Hilfe für ein schönes und entspanntes Familienleben. Nun drücke ich euch ganz doll und freu mich euch bald wieder live zu sehen. Ihr seit eine unglaublich tolle und liebenswerte Familie. Dem Sonnenschein und ihrem großen Bruder ein dickes Küsschen von Petra
Besondere Kinder werden besonderen Eltern anvertraut da bin ich mir ganz sicher ;-).
Mach Amelie und auch ihren Bruder stark für die Welt – das ist unsere Aufgabe als Eltern.
Viele liebe Grüße,
Kiwi
Danke für das Teilen dieser starken Geschichte. Ich kenne auch das Gefühl, wenn sich bei einem Arztgespräch der Boden auftut und man meint, in einem großen Loch zu versinken. Ihr habt eine ganz tolle, starke Tochter und ich wünsche Euch alles Gute. Der Taufspruch ist wunderschön.
Liebe Grüße Viola
Deine Geschichte hat mich zu Tränen gerührt ihr habt eine wundervolle starke Tochter auf die ihr mächtig stolz sein könnt. Man sieht auf den Bildern wie glücklich sie ist.
Ganz Liebe Grüße und alles Gute für euch
Vielen Dank dass wir an eurer Geschichte teilhaben durften! Sie hat mich total berührt. Als ich Amelies Fotos dann noch am Schluss gesehen habe, hatte ich wirklich Pippi in den Augen, sie hat eine ganz besondere Ausstrahlung!
Euch alles Glück der Welt
Wow, ich habe beim Lesen wirklich mitgefiebert und gebangt. Schön, dass am Ende alles gut ausgegangen ist für eure Familie!
Die kleine Amelie ist wirklich zuckersüß!
Alles Gute euch weiterhin,
liebe Grüße,
Hanna
Danke fürs Teilen dieser Geschichte. Sie ist ein echter Sonnenschein und sieht so glücklich und bezaubernd aus auf den Bildern.
Ich wünsche Euch weiterhin ganz viel Freude und Lachen mit ihr 🙂
Danke, dass Du Amelies Geschichte mit UBS teilst. Sie hat mich sehr berührt.
Liebe Grüße
Wica
So traurig sich manche Stellen deiner/eurer Geschichte lesen, ist sie doch eine mit Happy End und man weiß sofort, die kleine Zaubermaus ist bei euch in eine wunderbare Familie hineingeboren. Das Glück hat nicht jedes Kind, Down-Syndrom hin oder her. Euch ganz viele schöne Tage mit den Kiddies und alles Gute für die kleine Amelie.
LG Katrin
Danke für die schöne Geschichte. Wie gut, dass es Amelie inzwischen gut geht, ich denke, solche Ängste um sein Kind zu haben, ist, als wenn es einem den Boden unter den Füßen wegzieht, so durch und durch existentiell. Der Taufspruch ist sehr schön und wahr.
Viele liebe Grüße
P.S. Die Fotos sind wunderschön.