Unser Josia hätte leicht ein Opfer der Pränatal Diagnostik werden können, da bei der Vorsorgeuntersuchung in der 12.SSW seine Nackenfalte auffallend vergrößert war. Diese Untersuchung hat mein Frauenarzt durchgeführt, ohne mich vorab um Einverständnis zu fragen – manchmal ist es ein Nachteil, wenn man privat versichert ist. Natürlich wurden mir direkt weitere Untersuchungen nahegelegt. Und ein Teil von mir wollte auch ganz unbedingt Gewissheit haben. Aber zugleich war da auch die Angst davor, durch diesen Eingriff das Leben unseres Kindes aufs Spiel zu setzen. Die Fehlgeburtrate aufgrund bestimmter Untersuchungen liegt nun mal deutlich höher, als die Wahrscheinlichkeit für eine Behinderung nur wegen der vergrößerten Nackenfalte. Und da die Frage eines möglichen Schwangerschaftsabbruches im Falle einer festgestellten Chromosomenabnormalität für uns als Ehepaar nie zur Debatte stand, haben wir uns letztlich ganz bewusst gegen weitere Untersuchungen entschieden!
Auch wenn ich ein klares Nein bezüglich Abbruch hatte, so haben sich ab diesem Zeitpunkt die krassesten Gedanken in meinem Kopf niedergelassen. Fragen, Sorgen, Ängste haben mich teils heftig umgetrieben, mich niedergedrückt und regelrecht gelähmt. Außerdem war da ein tiefes Gefühl der Traurigkeit, das sich nicht einfach verdrängen oder leugnen ließ…
Ich will das nicht!
Ich schaff das nicht!
Warum unser Kind?
Natürlich wünschen wir uns alle ein „gesundes“ und völlig „normales“ Baby.
Es ist absolut selbstverständlich, dass wir am liebsten auf den Wegen gehen, die uns vertraut sind und die wir (scheinbar) kennen.
Aber genau dieser Gedanke ist in sich schon Selbstbetrug, eine Lüge.
Oder entspricht es etwa einer Tatsache, dass wir den Weg wirklich kennen?
Nur weil alles normal, unauffällig und wie immer aussieht ist es dennoch ein NEUER Weg. Jeder der mehr als 1 Kind hat weiß vermutlich recht gut, dass es nicht ganz automatisch wie immer läuft und man den Weg kennt, nur weil man schon einmal darauf unterwegs war. Vieles mag vertraut sein, sich auch wiederholen, obwohl es ein neuer Weg… tja, aber ein scheinbar vertrauterer, wenn immerhin schon mal alle Anzeichen auf „normal“ stehen 🙂
All diese Ängste, die einen in solch einem Moment überfallartig beherrschen, sind meiner Ansicht nach vor allem deshalb so übermächtig und groß, weil man gefühlt alleine da steht, und nur äußerst selten liebevoll und mit Feingefühl begleitet und beraten wird. Und je weniger man über eine Sache weiß, desto größer ist die Angst davor.
Wohin mit all den Fragen?
Wohin mit meiner ganzen Ungewissheit und diesen vielen „wenn… dann“-Gedanken?
Nur wenige Tage nach diesem einschneidenden Arztbesuch sind wir „nach Hause“ geflogen. (Fußnote: Wir leben schon seit über 8 Jahren in Afrika). Mein Arzt hat mir die besten Wünsche mit auf den Weg gegeben und die Bitte, dass ich wenn möglich alle 8 Wochen zur Ultraschalluntersuchung gehen sollte. Mögliche Fehlbildungen oder sonstige Auffälligkeiten könne man dann gegebenenfalls frühzeitig erkennen, was sehr wichtig wäre.
Und in diesem Zusammenhang haben wir die Pränataldiagnostik als sehr hilfreich erlebt. Wir waren zwei Mal bei der Feindiagnostik, wo unser Kleiner richtig lang und ausgiebig unter die Lupe genommen wurde. Er fand das gar nicht so klasse und hat sich unentwegt gedreht und gewendet, so dass die Ärztin echte Not damit hatte, alles Messungen entsprechend durchführen zu können. Beides Mal war alles gut und unauffällig – nur die Nackenfalte blieb verdickt. Die Ärztin meinte: wie eine kleine Extra-Speckschicht. Den Aufnahmen nach zu urteilen sprach nichts für eine Trisomie, aber sie hat uns dennoch gesagt, dass sie uns nur per Ultraschall keine Garantie geben kann. Das geht eben nur mit einem Chromosomentest.
Dann kam die Geburt, und damit die Stunde der Wahrheit. Und genau so habe ich es empfunden!
Kaum war er geboren, habe ich ihn selbst ganz genau begutachtet, ob mir Dinge auffallen… und da gab es so manches: die Augen, der Muskeltonus, die 4-Finger-Furche. Er hatte alles zu bieten, was mir die Kinderärztin bestätigte.
Das Gedanken- und Gefühlschaos ging also weiter. Und jeder der diesen Moment selbst schon erlebt hat, weiß ganz genau, was ich damit meine. Auch wenn ich schon Monate lang mit dieser großen Ungewissheit „schwanger“ war, so ist es doch nochmals ein tiefer und erneuter Schlag, wenn die Fakten auf dem Tisch liegen…
Ich hätte es mir sehr gewünscht, dass ich nie von dieser Nackenfalte erfahren hätte.
Ich hätte es mir sehr gewünscht, wenigstens eine normale Schwangerschaft erleben und genießen zu können.
Ich hätte es mir sehr gewünscht, nicht Wochen lang in der Angst zu leben, dass dieses Kind schwer geschädigt sein und die Schwangerschaft eventuell in einer Fehl- oder gar Totgeburt enden könnte…
Ende März haben wir den zweiten Geburtstag von Josia gefeiert.
Wir sind sehr dankbar für diesen wunderbaren Schatz, der uns so viel Freude bereitet und unseren Alltag mit Lachen – naja, und auch mit viel Arbeit – erfüllt.
Wir können uns den kleinen Mann gar nicht anders vorstellen, als so, wie er nunmal ist – besonders!
Seiner Erscheinung nach wirkt er längst nicht wie andere Jungs in seinem Alter. Und dadurch fallen manche „Verzögerungen“ vermutlich auch weniger auf, weil man ihn grundsätzlich als jünger einstuft.
Was für mich anfangs besonders schwer war, ist die Offensichtlichkeit dieses Syndroms. Man sieht es einfach – in den meisten Fällen zumindest. Dadurch wird man häufig direkt in eine Schublade gesteckt, oder ganz genau ins Visier genommen. Ich war immer sehr froh, wenn Josia friedlich schlafend in seinem Kinderwagen oder Autositz lag, und auf diese Weise problemlos als das süße Neugeborene ohne „little extra“ durch ging.
Und leider haben auch wir bereits die Aussage gehört, dass wir uns ja auch gegen dieses Kind hätten entscheiden können!
Falls jemand noch mehr über Josia erfahren möchte, kann dies gerne auf unserem Blog tun.
Hier sind noch zwei Links zu sehr ausführlichen Erlebnisberichten.
Schwangerschaft: http://sansibar.over-blog.de/article-die-mit-tranen-saen-116939495.html
Geburt: http://sansibar.over-blog.de/article-josia-ajabu-baraka-116625913.html
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Tausend Dank für diesen schönen Gastbeitrag und alles Gute weiterhin für den süßen Josia und Euch als Familie.
Ich bin auch unendlich froh, dass ich in der Schwangerschaft nichts gewusst hatte, auch wenn ich diese Ahnung hatte, aber das war schon schlimm genug.
[…] dem Besonderen“ noch in den Kinderschuhen war, habe ich bereits einen Artikel dafür geschrieben. In Beitrag Nr. 10 habe ich unseren Sohn Josia vorgestellt, der wie Sonea das Down Syndrom hat. Inzwischen ist er knapp 4 Jahre alt und ich könnte hier […]
es gibt das Prädikat "besonders wertvoll" und ich finde es passend dieses gerade auf unsere "besonderen" Kinder oder Enkel anzuwenden! Wir freuen uns über Josia. Danke für deinen offenen Bericht, Doro!
Doro – Josia ist unser aller Schatz! Es ist schön ihn in unserer Familie zu haben!
Ich freue mich sehr, über Sonea auf diese Familie gestossen zu sein. Danke für deine Offenheit! Frohe Ostern! Gabriela
Ihr müsst den Link markieren, kopieren und in einen leeren Tab in die Adresszeile einfügen, dann geht es.
Ein schöner Bericht und ich kann aufgrund des letzten Bildes des kleinen Mannes nur sagen, dass ihm die Besonderheit nicht offensichtlich im Gesicht geschrieben steht. Er ist ein süsser Fratz, besonderes hin oder her. Menschen, die hier vorverurteilen, sind sehr oberflächlich. In einem von uns zwei Kilometer entferntem Ort (Lautenbach) ist eine Lebens- und Arbeitsgemeinschaft für Behinderte. Wenn ich oft meine Kleine in den Waldorfkindergarten bringe und mir diese Menschen begegnen, ich sehe, wie fröhlich diese Leute mit vielen Kleinigkeiten sind, sich schon an Sonnenstrahlen wahnsinnig erfreuen können, dann denke ich für mich, dass all die Menschen mit Besonderheit sehr viel glücklicher sind im Leben, als so mancher von uns. Die machen sich das Leben nicht so schwer und die machen es richtig. Ich wünsche euch weiterhin alles Gute mit eurem Schatz.
LG Katrin
Vielen Dank für den tollen bericht. Leider geht die Verlinkung nicht.
LG Koernchen
Ich kann leider die Links nicht öffnen.