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Heul doch Du Eierloch!

In wenigen Wochen wird der Sonnenschein sechs Jahre alt und sie ist jetzt schon aufgeregt, als wäre der große Tag morgen.

Sechs Jahre, eine Zeit in der jede Menge passiert ist. 
Ein Kind mit Down-Syndrom. Das klingt im ersten Moment für manche ganz furchtbar und nach jeder Menge Arbeit. Nun ja, die viele Arbeit kann und möchte ich nicht leugnen, aber die hat man eben nunmal mit Kindern, egal welches Syndrom auch immer. 
Okay, okay… furchtbar waren die letzten sechs Jahre auch, nämlich furchtbar schön und oftmals auch furchtbar lustig.
Vor sechs Jahren standen mein Mann und ich am Anfang einer Reise, die unerwartet anders für uns startete und viele Fragen und Ängste aufwarf (wie das nunmal so ist, wenn man ein Kind bekommt und doch nochmal anders…). 
Heute weiß ich, dass ich mir viele Sorgen niemals hätte machen müssen und einige Tränen nicht hätte weinen müssen. 
„Heul doch, Du Eierloch!“. Wenn ich die Stimme vom Sonnenschein mit dem Satz von heute damals schon im Ohr gehabt hätte, nachdem wir die Diagnose bekommen hatte und meine Augen tagelang geschwollen waren und brannten, weil ich immer wieder los weinen musste. 
Die Zeiten sind zum Glück längst vorbei „Heul doch, Du Eierloch!“ sei Dank! 
Heute wird hier viel mehr gelacht als geweint. Und wenn mal ein paar Tränen fließen, dann nicht wegen einem Down-Syndrom oder welchem Pups-Syndrom auch immer…
Ich bin unendlich stolz über die Entwicklung die der Sonnenschein in den letzten Jahren gemacht hat. Und ich ziehe meinen Hut vor der Geduld, die sie immer wieder mit uns hat, wenn wir sie nicht verstehen und sie immer wieder neu erklärt was sie möchte. Leider nimmt sich nicht jeder Zeit die Kinder verstehen zu wollen. Und das meine ich jetzt ganz unabhängig von einem Syndrom. Erwachsene hören viel zu wenig zu. Dabei haben Kinder so unglaublich viel zu sagen.
Der Sonnenschein war in den letzten Jahren immer wieder MEINE Lehrerin. Sie übt mich immer wieder in Geduld, öffnet mir die Augen für Dinge, für die ich ohne sie blind wäre, prüft ab und an auch mal meine Toleranz- und Belastungsgrenze und zeigt mir den Weg aus ihrer Sicht. Ich habe gelernt zuzuhören und ab und an auch mal die Leitung abzulegen und einfach alles aus Sicht meiner Kinder zu sehen… das ist ein unheimlich schönes und befreiendes Gefühl. Auch wenn es im Alltag manchmal zu kurz kommt. 
Heul doch, Du Eierloch… jaaaaa, ich freue mich! Über (fast) jedes Wort, das meine Kinder inzwischen sprechen. Sprache ist so wichtig und sicherlich nicht die größte Stärke des Sonnenscheins. Aber sie gibt sich unglaublich viel Mühe und bildet inzwischen viele komplexe und vollständige Sätze. Oft nicht ganz korrekt und auch nicht alle Worte an der richtigen Stelle, aber durchaus verständlich (auch für diejenigen, die nicht so genau zuhören und hinhören). 
Interessant finde ich, dass sich die Flucherei bislang auf „Du Affe!“ beschränkt, wo ich doch selbst viel zu oft das sch…e Wort verwende. 
Natürlich mache ich mir nicht wirklich Hoffnung, dass es bei „Du Affe!“ bleibt. Aber spannend ist es auf jeden Fall.
Natürlich gibt es auch Tage, an denen ich mir wünsche, dass der Sonnenschein weniger quatschen würde, denn sie verfolgt einen auf Schritt und Tritt und redet in einer Tour, kommentiert alles und wiederholt vieles, um dem Gesagten Nachdruck zu verleihen. 
Dass ich mir mal wünschen würde, dass mein Kind weniger quatscht, hätte ich mir vor einiger Zeit genau so wenig vorstellen können, wie dass ich irgendwann mal darüber schmunzeln kann, all diese Tränen nach Sonnenscheinchens Geburt geweint zu haben.

14 Kommentare

  1. Liebe Katharina, es hat mich sehr gefreut, dich und auch kurz deine Kinder gestern auf dem #BuTTKö kennen gelernt zu haben. Ich wünsche euch aufregende und schöne Wochen bis zum 6. Geburtstag. 6, welch ein großer Meilenstein. <3

    Liebe Grüße,
    Mirka (Alexandra/verdachtsmoment)

  2. Ohhh, da erinnere ich mich spontan als ich mir wünschte in einer Gruppe mit drei nicht bzw wenig sprechenden Menschen mit Unterstützungsbedarf, es könne doch noch ein Mensch dazu kommen der auch Redet. Und sie kam 🙂 Nach 3 Tagen war ich durch und wünschte mir, ich hätte den Wunsch nie geäussert 😉
    Das Mitteilungsbedürfnis ist aber auch schön 😉 und klar, man muss doch auch anwenden was man gelernt hat 🙂
    Danke für deine immer wieder so schönen Berichte 🙂

  3. Wunderbar geschrieben ♡
    Ich glaube "Heul doch, du Eierloch" muss ich in meinen Sprachgebrauch aufnehmen 🙂
    Und sie wird schon 6 – wahnsinn!!!
    Dein Shirt und die Fotos sind übrigens auch wunderbar, sei noch angemerkt 😉
    Ganz liebe, gerührte Grüße von
    aennie

  4. Heul doch du Eierloch! muss ich mir unbedingt merken 😉
    Meine kleine Dame hat neulich zum ersten Mal sch… gesagt…da hier ja nur ich auf deutsch mit den Mädels rede, sagt das nichts gutes über meine Wortwahl im Gefecht des Tages…wie dem auch sei, gehört halt auch dazu, nech? Die sollen ja Umgangsdeutsch lernen *lol*
    Alles Liebe, Mara

  5. Einfach nur Danke für diesen wundervollen und bewegenden Beitrag! Obwohl er so positiv und herzerfrischend ist, musste ich fast ein paar Tränchen verdrücken (gut, vllt sind die Schwangerschaftshormone schuld…). Es ist toll, wieviel Liebe und Stärke aus deinen Worten spricht.
    LG

  6. Wunderschöne Worte unterlegt mit wunderschönen Fotos! MEINE ganz persönliche wunderschönste, tollste, emotionalste berufliche Erfahrung, an die ich liebend gerne zurück denke, war meine Zeit als Vor-Praktikantin (verlängert von 2 auf 6 Monate weil ich nicht weg wollte….*zwinker* ) in einer "Sonderschule für Körper- und geistig Behinderte Kinder" – und ich vermisse diese Zeit soooo sehr…..Lange lese ich schon still bei Dir mit und jetzt kann ich endlich auch kommentieren 😉 und freue mich weiterhin immer wieder auf Neues von Euch! Liebe Grüße! Nicole PS: Hier wird im Kindergarten gerufen; "Fang mich doch Du Eierloch"…. Es lohnt sich übrigens sehr die Kinder mal zu bitten einem zu erklären was genau ein "Eierloch" ist und wie es aussieht…..Seeeehr lustig!

  7. Immer wieder so schön wieviel Liebe in deinen Worten steckt!!! Ich glaube fest daran, dass im Leben immer das passiert was uns weiter bringt, was uns die größte Möglichkeit gibt zu lernen und zu wachsen. Man muss es nur wollen!!!
    Liebe Grüße
    Kathrin

  8. Sehr schön solche Worte von dir zu lesen 🙂
    Und 'Du Affe' ist ja echt fast noch als niedlich einzustufen 😀 Ich drücke die Daumen, das es lange dabei bleibt…
    Ansonsten kann ich dir zustimmen. Mein Jahr FSJ und das folgende als Schulbegleitung für ein kleines Mädel haben mich so viel geduldiger und gelassener werden lassen… Und sicherer in meiner Berufswahl 🙂
    Liebe Grüße,
    Svenja

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