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Down-Syndrom und Pubertät

Wenn Du mir auf Instagram oder Facebook folgst, hast Du es vielleicht schon mitbekommen: Gestern hat sich zum zweiten Mal eine kleine Gruppe von Mädchen im Alter von 9 bis 13 Jahren zu einem Zoom-Meeting zusammengetan.

Ach ja, vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass alle das Down-Syndrom haben. Auch wenn diese Info ansonsten eher eine geringe bis gar keine Rolle spielt, ist es in diesem Fall umso bedeutsamer.

Du weißt wie wichtig mir Inklusion ist. Seit Soneas Geburt gehen wir den Weg der Inklusion. Und doch gab es immer wieder Phasen in unserem Leben, in denen uns vor allem der Austausch mit Down-Syndrom Familien sehr wichtig war. Insbesondere in den ersten Lebensjahren brauchten wir das sehr. Über die Jahre haben sich ein paar Freundschaften entwickelt, die wir nicht mehr missen wollen.

Das vergangene Jahr hat viele Veränderungen mit sich gebracht. Nicht nur durch Corona, dem ersten und den zweiten Lockdown und das damit verbundene Homeschooling, sondern auch noch einmal die Pubertät in einer ganz neuen Dimension.

Die Pubertät und der dringende Wunsch nach einer eigenen Bubble

Es kommen auf einmal neue Fragen auf. So konnte ich mir zum Beispiel hilfreiche Tipps holen, als plötzlich die erste Periode anstand. Und dann gibt es eben die ganz kleinen Besonderheiten: Stimmungsschwankungen, die ein Schleudertrauma verursachen könnten (wie es neulich so schön eine Mama ausgedrückt hat) und kreatives, unberechenbares Verhalten. Und irgendwie fühlt man sich dann plötzlich wieder in der Down-Syndrom Bubble mehr zu Hause als in jeder anderen.

Corona hat neben all den Einschränkungen eine totale Isolation mit sich gebracht. Sonea hat nicht so den regen Austausch mit ihren Klassenkameraden wie ihr Bruder das hat. Und das führte dazu, dass sie sich immer mehr zurückzog und teilweise kaum noch vor die Tür zu bewegen war.

Und dann hatte ich plötzlich eine Idee…

Down Syndrom und Pubertät Sonea Sonnenschein

Inzwischen war nicht nur der Schulunterricht online, sondern auch viele Freizeitaktivitäten verlagerten sich auf Zoom und andere Portale. Warum also nicht auch mal einen Zoom-Treff für Mädchen mit Down-Syndrom im Alter +/- 10 bis 15 Jahren ins Leben rufen?

Eine fixe Idee – großer Anklang

Inzwischen fand zum zweiten Mal ein Zoom-Treff der DS-Mädels statt. Leuchtende Augen, interessierte Blicke und ein reger Austausch unter einander. Und ja, von mehreren Seiten auch der Wunsch das Meeting alleine durchzuziehen. Aber ich war nicht die einzige Mama, die sitzen geblieben ist, einfach weil es so schön war.

Heute habe ich noch mit einer der Mamas geschrieben. Ich darf unseren Mail-Austausch mit ihrer Erlaubnis hier teilen. Warum ich das mache? Ganz einfach aus dem Grund, weil es ganz genau beschreibt was uns Mütter von Mädchen mit Down-Syndrom in der Pubertät gerade umtreibt und beschäftigt.

Was uns Mütter beschäftigt

Hallo Katharina, wir hätten es gestern lassen sollen. Ihre Laune war …

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Mich würde interessieren, ob die Kinder/ ob Sonea weiss, dass sie das DS haben?

Mit Anneke habe ich da in letzter Zeit häufiger drüber gesprochen und ihr zum Beispiel auch gesagt, dass alle Mädchen beim Zoommeeting es haben. Das macht sie neugierig. Sie fragt viel und ich bin gerade an einem Punkt, an dem ich es schwer finde, ihr das DS positiv zu vermitteln. Alles was sie einschränkend empfindet, hat mit dem DS zu tun.

Sie findet es doof, dass sie eine Schulbegleitung braucht – warum ist das so? Warum lerne ich langsamer? Warum kann ich nicht alleine… ? Sie ist toll, so wie sie ist, aber sie merkt verstärkt, was sie nicht so kann wie andere in ihrem Alter.

Ich würde ihr so gerne helfen ein positives Selbstbild zu erhalten/ weiterzuentwickeln und weiß nicht wie. Geht es anderen Eltern auch so?

Ich habe vor 12 Jahren eine Selbsthilfegruppe gegründet. Es gibt viele jüngere Kinder und sehr wenige im Alter von Anneke. Davon leben die meisten in einer, wie ich es nenne, Behindertenblase. Sie haben kaum Berührung mit dem Leben abseits von Förderschule und co.. Da wird auf meine Fragen mit Unverständnis reagiert oder noch schlimmer.…. würden wir ihren Weg gehen, hätten wir diese Probleme nicht.

Nun gehen wir aber von Anfang an den sehr steinigen Weg der Inklusion und ich werde ihn nicht beenden, um ein scheinbar bequemeres Leben zu führen. Was ich inzwischen aber sehe ist, dass die Kinder beides brauchen. Ihren Platz im realen Leben und auch Menschen, die die gleiche Behinderung haben.

Puh, nun habe ich dich zugetextet mit dem; was mir so durch den Kopf geht. Wünsche euch einen schönen Sonntag.

🌷

Viele Grüße Anke

Und meine Antwort…

Liebe Anke,

danke für Deine Email. Du sprichst mir aus dem Herzen und ich kann 1:1 Deine Worte nachvollziehen.

Ich wollte Dir gestern noch geschrieben haben, dass es gut war, dass Ihr dabei wart. Ich fand Anneke war voll dabei und sie war neugierig auf die anderen Mädels. Ich denke, wir als Mütter haben nochmal einen anderen Blick darauf, sind kritischer und wissen einfach wie unsere Mädels ticken, wenn man im Alltäglichen mit ihnen zusammen ist. Die Pubertät macht sie unberechenbar und bringt einen manchmal ganz schön ins Schwitzen. Ich denke, wir müssen diese Treffen einfach regelmäßig stattfinden lassen, damit es für sie nicht so fremd ist.

Sonea ist sich ihrem Anderssein durchaus bewusst. Mal ist sie cool damit und dann merkt man wieder, dass es sie sehr belastet.

Ich habe letzte Woche noch ihrer Logopädin geschrieben, weil es mich so traurig macht, dass sie sich ständig mit Mädels vergleicht, die kein Down-Syndrom haben und für sie unerreichbar sind. Eigentlich völlig normal. So hatten wir in unserer Pubertät auch unsere Idole. Aber mich schmerzt vor allem, dass das Down-Syndrom den Vergleich so unmöglich macht.

Sonea hatte gestern bei dem Zoom Treffen so einen Spaß und den Eindruck hatte ich auch bei allen anderen. Ich denke, es ist gerade jetzt besonders wichtig für sie neben der inklusiven Teilhabe auch noch eine Blase zu haben, in der sie nicht den Anspruch haben müssen mitzuhalten oder sich anzupassen. Sie können einfach sie selbst sein.

Du weißt wie wichtig mir Inklusion ist und wir leben sie voll und ganz. Aber die letzten Monate waren die totale Isolation und auch wenn ich den Eindruck habe, dass Sonea zum Beispiel in ihrer Klasse voll integriert und akzeptiert ist, hat sie nicht die Verabredungen am Nachmittag, wie die anderen Mädels aus ihrer Klasse.

Die letzten Jahre lag unser Schwerpunkt auf andere Dinge. Das Down-Syndrom spielte nicht so eine große Rolle, aber ich merke jetzt, dass mir der Austausch wieder unglaublich wichtig ist und auch echt gut tut. Die Pubertät bringt neue Hürden mit sich. Es tut gut zu wissen, dass man mit seinen Sorgen nicht alleine ist.

Habt noch einen schönen Sonntag 🌈

Liebe Grüße
Katharina

Down Syndrom und Pubertät Sonea Sonnenschein

3 Kommentare

  1. Bärbel Weides sagt

    Eine wunderbare Idee einen Zoom Treff der DS Mädels ins Leben zu rufen.
    So haben sie Kontakt und können sich austauschen.

  2. Marie sagt

    Moin aus Bremen, liebe Katharina!

    Aus dem Bauch heraus und mit keinen eigenen Erfahrungen hinsichtlich DS – jeder Mensch braucht Menschen, die ihn von Grund auf verstehen, ohne viel erklären zu müssen.

    Ich z.B. habe durchaus das, was man stabile Langzeitbeziehung nennt + Kinder, die ich sehr liebe.
    Und nichts ist erdender, erholsamer, bereichernder, beruhigender für mich, als mich mit meinen Frauen aus der ehemaligen Krabbelgruppe von Kind Nr. 2 zu treffen. Wir hören uns zu, nicken verständnisvoll, bekommen hysterische Lachanfälle, weil die alltäglichen Irrsinns-Situationen trotz völlig verschiedener Voraussetzungen dennoch deckungsgleich sind. Wir sind nicht alleine mit den Auswüchsen der Pubertät. Oder denen der Wechseljahre. Unsere Männer sind sämtlich nicht in der Lage, Geschirrspüler sachgemäß zu befüllen…

    Du verstehst meinen Ansatz? Du machst das genau richtig. Natürlich braucht man auch andere Anregungen zum Weiterwachsen als die, die man schon kennt. Aber sich ein-mal nicht erklären zu müssen ist schierer Balsam für jede Seele.

    Alle lieben Grüße
    Marie

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