Meine größte Angst vor dem Kinderkriegen war immer die, ein Kind mit Behinderung zu bekommen.
Ich weiß nicht wo diese Angst herkam und warum sie so stark war. Aber sie war da.
Als ich dann zum ersten Mal schwanger war, mischte sich eine weitere Angst dazu. Die Angst keine gute Mutter für mein Kind zu sein. Angetrieben von dieser Angst hatte ich nur ein Bestreben: alles richtig zu machen.
Ich aß möglichst gesund und vor allem nur Dinge, die unbedenklich in der Schwangerschaft sind, nahm jeden Tag meine Schwangerschaftsvitamine ein und auch zu unserer eigenen Hochzeit in der 34. Schwangerschaftswoche, stieß ich mit O-Saft, statt mit Sekt auf die frische Vermählung an. „Nein, auch nicht bloß mal nippen!“.
Obwohl mir die Ärzte bei jeder Ultraschalluntersuchung versicherten, dass sich meine Tochter gut entwickelt und alles in Ordnung sei, beschlich mich jedes Mal im Nachhinein das Gefühl, dass es nicht so ist. Eine Vorahnung. Auch wenn das Schicksal es von mir verbergen wollte, hatte ich es längst durchschaut. Das wurde mir aber erst viel später bewusst (und auch die Verkettung sämtlicher Ereignisse, die offensichtlich auf das Down-Syndrom hindeuteten).
Sonea behielt ihr kleines Extra bis zur Geburt für sich. Und im Nachhinein bin ich ihr sehr dankbar dafür. Dankbar dafür, dass ich bzw. wir keine Entscheidung treffen mussten. Wie sie ausgefallen wäre, kann ich nicht ganz klar beantworten.
Und genau so wenig mag ich diese Frage.
Habt Ihr es vorher gewusst?
Selbst das könnte ich nicht ganz klar beantworten. Denn rückblickend würde ich sagen, dass ich es wusste. Schon lange bevor ich überhaupt schwanger wurde.
Die Frage nach dem „vorher“ ist genau so übergriffig wie die nach der Nackenfaltenmessung.
Viele Frauen entscheiden sich für die Messung in der 11. Schwangerschaftswoche. Auch mein Frauenarzt hatte mir die Möglichkeit kurz erläutert, aber aufgrund meines Alters (ich war damals 28 Jahre alt) durchblicken lassen, dass diese nicht nötig sei. Außerdem kam es dann so, dass er genau zu dem Zeitraum, in dem die Messung für mich in Frage gekommen wäre, im Urlaub war. Dies und noch ein paar andere Faktoren sorgten dafür, dass ich die Nackenfaltenmessung nicht machte.
Und dann war da dieser White Spot in der 23. Schwangerschaftswoche und eine Chefärztin, die mir trotz des Softmarkers versicherte, dass mein Kind kein Down-Syndrom habe und mir dringend davon abriet eine Fruchtwasseruntersuchung zu machen. Denn diese würde ein viel größeres Risiko bergen.
Ich vertraute auf die Worte der Ärztin, spürte aber, dass sie nicht Recht hatte. Ein Gefühl, das ich zum damaligen Zeitpunkt nicht einordnen konnte und auf die Schwangerschaftshormone schob.
Nun, es kam wie es kommen sollte. Und letztendlich wie es besser nicht hätte sein können. Das mag unvorstellbar klingen.
Niemand möchte, dass das eigene Kind mit einer Behinderung auf die Welt kommt. Man möchte stets das Beste für sein Kind. Eine Behinderung gehört ganz sicher nicht dazu.
Aber im Grunde genommen ist nicht die Behinderung das Problem, sondern das gesellschaftliche Denken und auch unser eigenes, geprägtes Denken. Das Denken darüber was wichtig ist, was das Beste ist und wie die Dinge sein sollen.
Aber jeder, der Kinder hat, weiß wie desillusioniert man plötzlich ist. Das Elternsein stellen sich die meisten ganz anders vor, als es dann tatsächlich ist.
Die Spirale der Pränataldiagnostik – „Sie wollen doch nicht, dass Ihnen SOWAS nochmal passiert!“
Als ich dann mit Soneas Bruder schwanger war, wollte ich vor allem eins: vorbereitet sein. Denn durch die Translokation wussten wir, dass das Down-Syndrom nicht bloß eine Laune der Natur war.
Und ehe ich mich versah, war ich in der Spirale der Pränataldiagnostik gelandet. Grundsätzlich keine schlechte Sache und in vielen Fällen konnte sie ein Leben retten, bevor ein Kind das Licht der Welt erblickt hat. Viel zu oft aber auch nicht.
Ich würde niemals über jemanden urteilen, der sich nach der Diagnose Down-Syndrom für einen Schwangerschaftsabbruch entscheidet. Es ist nicht meine Entscheidung, egal, ob ich sie gut finde oder nicht. Es steht mir nicht zu darüber zu urteilen. Und ich muss auch nicht mit den Konsequenzen leben.
Aber im Gegensatz zu vielen Ärzten, die nach einer solchen Diagnose Kontakt zu den werdenden Eltern haben, kann ich beurteilen wie das Leben mit behindertem Kind tatsächlich ist.
Und ich weiß was Ärzte zu einem sagen, wenn es genau darum geht eine Behinderung festzustellen. In unserem Fall war es damals „Na Sie wollen doch nicht, dass Ihnen sowas nochmal passiert“.
Sowas
Dieses Wort hallte wie eine schallende Ohrfeige nach. Sowas. Das war meine Tochter. Der wundervollste Mensch in unserem Leben. Perfekt auf ihre eigene Art. Und es kam mir damals plötzlich wie ein Varrat an sie vor, dass ich auf dem Untersuchungsstuhl der Pränataldiagnostik saß, um zu schauen, ob mein zweites Kind auch „sowas“ wird.
Noch viel schlimmer war aber, dass ich in jenem Moment nichts auf diese verletzenden Worte entgegnen konnte. Dass ich mich statt dessen einfach nur schuldig fühlte.
„Hast Du denn keine Nackenfaltenmessung gemacht?“.
„Habt Ihr es vorher gewusst?“.
„Wie konnte SOWAS nur passieren?“.
Damals war ich unfähig etwas zu sagen und vielleicht sehe ich es deshalb als meine Aufgabe jetzt umso lauter zu sein.
Weil ich weiß, dass ein Kind mit Behinderung nicht das Ende Deines Lebens ist, sondern eine Chance auf ein Neuanfang.
Weil ich weiß, dass ein Kind mit Behinderung nicht anstrengender als die Geschwister sind.
Weil da so bereits unendlich viel bedingungslose und unerschütterliche Liebe war, bevor einen Tag später die niederschmetternde Diagnose kam.
Und weil ich weiß wie sehr äußere Einflüsse die eigene Entscheidung trüben und einen total verunsichern können. Gerade in der ersten Schwangerschaft und nach der ersten Geburt habe ich so viel davon gespürt. Man möchte nur das Beste für das eigene Kind.
Natürliche Geburt vs. Kaiserschnitt und Fläschen vs. Brust. Stillt man nicht, ist das verkehrt und stillt man zu lange ist das auch nicht richtig. Die ergonomisch perfekte Babytrage. Der einzig wahre Kindersitz. Pädagogisch wirklich wertvolles Spielzeug, bloß kein Zucker und ich drifte zu sehr ab… unfassbar viele verschiedene und verunsichernde Meinungen darüber, was wirklich richtig und das Beste ist.
Was das Beste für Dich und Dein (ungeborenes) Baby ist, entscheidest ganz alleine Du!
Deshalb würde ich niemals darüber urteilen, wenn jemand sich gegen die Fortführung einer Schwangerschaft entscheidet, nachdem ein Down-Syndrom diagnostiziert wurde. Auch, wenn es mich zutiefst traurig macht, wenn ich so etwas höre oder lese.
Aber… ich freue mich jedes Mal riesig über jedes Kind, das (trotzdem) leben darf. Und sicherlich bin ich nicht ganz objektiv, aber Babys mit Down-Syndrom sind einfach die süßesten Babys.
#NoNIPT
Voraussichtlich im Juli soll der nicht-invasive Bluttest NIPT Kassenleistung werden.
Es gibt unzählige Kritikpunkte. Dass dieser Bluttest nicht zuverlässig ist und eine Fruchtwasseruntersuchung nicht verhindern wird, ist nur einer davon.
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Vor allem aber dient der NIPT weder der sozialen Gerechtigkeit und auch nicht der Selbstbestimmung der Frau.
Ihr könnt Euch auf der Seite No NIPT ausführlich über die Gegenargumente informieren. Und es lohnt sich wirklich das zu tun.
Jeder möchte doch, dass das eigene Kind ein glückliches Leben hat. Aber Glück definiert sich nicht zwingend über Leistung, auch wenn das gesellschaftlich oft so vorgegeben wird. Glück findet sich in den kleinen Dingen, die man gerne mal übersieht, wenn man nicht richtig aufmerksam ist.
Das habe ich vor allem durch meine Tochter Sonea gelernt.
Genau aus allen deinen oben angeführten Gründen finde ich deinen Blog so wichtig. Respekt vor dir und alles Gute deiner ganzen Familie.
Es ist so wichtig, dass darüber diskutiert wird!
Danke für deine Anregung!
Grüße