Vor ein paar Jahren hab ich diesen Starke Eltern – starke Kinder Kurs mitgemacht, der vom Kinderschutzbund initiiert und in diversen Kindergärten angeboten wird. Manch einer von Euch sicherlich auch.
Erziehung ist ja so ein Ding. Jeder macht es anders und andere machen es grundsätzlich besser.
Ich mach das meistens aus dem Bauch heraus, sicherlich nicht immer richtig und wahrscheinlich auch optimierungsbedürftig. Aber der Starke Eltern – starke Kinder Kurs hat mir immer wieder geholfen mich zu reflektieren und in manchen Situationen mit entsprechendem „Erziehungs-Werkzeug“ souverän zu reagieren.
Nun haben wir auch eine phänomenale Kursleiterin. Andrea Lück, Erziehungsberaterin und lösungsorientierter Coach. Ich liebe diese Frau! Und wie gerne würde ich sie einfach nach so einem Kursabend in meine Handtasche packen, um sie in brenzligen Alltagssituationen aus der Tasche zu kramen und die Lösung parat zu haben.
Insgesamt habe ich damals in diesem Kurs viel gelernt. Leider vergisst man nur vieles, was nicht gerade für einen relevant ist. Und natürlich geht es mir nicht alleine so. Wenn man so einen Kurs einmal gemacht hat, geht man schließlich nicht mit Diplom als Erziehungsexperte da raus. Der werde ich auch niemals sein.
Um immer wieder die einzelnen Werkzeuge auf dem Schirm zu haben und weil es ja mit dem älter werden der Kinder auch andere Themen sind, die gerade brennen, treffen wir uns in einer kleinen Elterngruppe einmal im Monat mit Andrea.
Manchmal hat man gar nicht spezifisch etwas, das einem gerade den letzten Nerv raubt, aber die Runde mit den anderen Eltern hilft einem auch über brenzlige Alltagssituationen klar zu werden, die gerade eigentlich gar nicht so akut sind.
Man nimmt aus den Treffen immer etwas für sich mit. Und manchmal ist es erstaunlich wie einfach sich Knoten lösen oder Geschrei und Frustration vermieden werden kann, weil man einen Notfallplan hat, welche Knöpfe im Akutfall zu drücken sind.
Und vor allem habe ich in all den Jahren gelernt in den Situationen, in denen das Kind explodiert, die Ruhe zu bewahren. Natürlich nicht immer. Ich habe auch mal einen schlechten Tag und explodiere solidarisch mit. Ihr Temperament haben meine Kinder schließlich nicht vom Papa.
Es gibt Situationen, in denen ist die größte Herausforderung eine logische Konsequenz für das unsinnige Handeln meiner Kinder zu finden und ihnen zu vermitteln, dass sie selbst über den Ausgang, die Konsequenz ihres Handelns entscheiden können und ihnen die Chance geben ihr Verhalten eventuell noch einmal rechtzeitig zu ändern.
Manchmal möchte man einfach mit einer imaginären Fliegenklatsche drauf hauen und irgendein Verbot aussprechen. Irgendwas, was piekst und Wirkung zeigt. Lauter und anstrengender als das Geschrei der Kinder. Natürlich ist das völlig unsinnig, weil es mit der eigentlichen Situation nichts zu tun hat. Aber es ist einfach menschlich.
Der Kurs hat mich schon so oft über verschiedene Alltagssituationen reflektieren lassen und über mein gelegentlich unsinniges und absolut nicht zielführendes Handeln. Er hat mir geholfen in den herausfordernden Situationen, die sich uns manchmal mit Sonea (aber vor allem mit ihrem Bruder) stellen, eben nicht die imaginäre Fliegenklatsche auszupacken, sondern erstmal tief durchatmen und dann souverän, mit einem Schmunzeln den Konflikt zu meistern. Gelingt mir sogar. Manchmal.
Nun haben wir seit Wochen so einen Punkt, der zu einem immer größeren Problem wurde – Sonea und die Schimpfwörter. Die insbesondere im Zusammenhang mit ihrem Bruder Verwendung finden.
Natürlich versuche ich mich auch immer wieder in meine Kinder hinein zu versetzen und ihre Wut und ihren Frust zu verstehen, wenn er denn entsteht. Und ich kann auch ein Stück weit Soneas Frust verstehen. Ich verstehe, dass sie versucht sich mit den Schimpfwörtern abzugrenzen. Ich verstehe, dass sie damit versucht sich über ihren Bruder hinwegzusetzen, der ihr verbal längst überlegen ist und in manchen Bereichen einfach „größer“ ist als sie.
Trotzdem geht es natürlich nicht, dass Sonea ihren Bruder wildfremden Leuten auf den Spielplatz mit den Worten „Das ist mein Bruder. Der ist ein Arschloch“ vorstellt.
Ich hatte viel mit den Kindern geredet. Zu viel wahrscheinlich. Ich habe Sonea versucht deutlich zu machen, dass Schimpfwörter genau so verletzend sind wie wenn man geschubst wird und hinfällt. Und sogar noch viel schlimmer.
Ich habe umgekehrt versucht Soneas Bruder stark zu machen, ihm ein imaginäres Schutzschild gegen Schimpfwörter gebaut.
Und bei alledem habe ich das Wesentliche einfach vergessen zu erwähnen.
Die oberste Regel „Wir gehen respektvoll miteinander um“.
Eine Regel, die zwar bei uns hohe Priorität hat, aber wahrscheinlich nicht deutlich genug und oft genug formuliert wurde, sondern immer wieder ausschweifend umschrieben.
Kinder brauchen klare Regeln, an die sie sich halten können und die ihnen Halt geben.
Und genau so wie ich manchmal die richtigen Tools für meine Erziehung der Kinder brauche, brauchen meine Kinder diese, um zu verstehen, was ich eigentlich von ihnen möchte.
An jenem Abend vor ein paar Wochen, als ich fast schon hilflos war, wie ich mit Soneas Beschimpfungen anderer umgehen soll (ein Thema, das mir zudem sehr unangenehm ist), hatte Andrea natürlich auch ein effektives Tool: die gelbe, die orange und die rote Karte. Die gelbe und die orange Karte sind die Verwarnung und bei der roten Karte gibt es eine Strafe.
Natürlich kannte ich die Karten schon längst aus dem Starke Eltern – starke Kinder Kurs. Aber ich habe sie nie umgesetzt, weil ich die Umsetzung schwierig finde. Wenn ich bei der roten Karte zum Beispiel „Fernsehverbot“ für ein Kind ausspreche, bestrafe ich indirekt auch das andere Kind, weil sich die Umsetzung der Strafe in der Praxis als äußerst schwierig erweist.
Aber wie das so ist, macht man sich manchmal einfach zu viele Gedanken.
Am nächsten Tag habe ich den Kindern noch einmal die Regel erklärt „Wir gehen respektvoll miteinander um. Es wird niemand beschimpf, gehauen, getreten oder sonstwas“ (ja, sowas kommt hier unter Geschwistern durchaus schon mal vor). Bei Verstoß – gelbe und orange Karte. Bei der roten Karte – Strafe.
Das haben sie verstanden. Die rote Karte kam hier bis jetzt noch nicht zum Einsatz.
Seitdem streiten sich die beiden natürlich nicht weniger. Aber auf jeden Fall netter.
Die gelbe und die orange Karte geben ihnen die Grenzen, die sie brauchen. Und manchmal kommt auch eins der Kinder zu mir und bittet mich um eine Karte. Für das Geschwisterkind.
Und mir helfen die Karten natürlich auch im Geschwisterkonflikt wirklich nur da eine Karte zu vergeben, wo sie notwendig ist bzw. wenn ich mitbekomme, dass eine Karte notwendig ist. Natürlich gibt es nicht neuerdings für jeden Verstoß eine Karte. Da wären wir jeden Abend längst bei dunkel-violett. Das Wissen, dass es eine Karte geben könnte, reicht manchmal eben auch.
Es ist wie das Zählen bis Drei. Völlig unsinnig (und manchmal auch echt nervig), aber manchmal eben genau das, was unsere Kinder als Ansporn, als ein „Auf die Plätze – fertig – los!“ oder eben als Grenze brauchen.
Natürlich sind die Karten nicht in jeder Lebenslage anzuwenden. „Räum Dein Zimmer auf, sonst gibt es die gelbe Karte“, wäre in dem Fall eher kontraproduktiv. Dafür gibt es dann andere Tools. Die mal mehr, mal weniger Wirkung zeigen.
So lieb zueinander, wie es auf den Bildern manchmal den Anschein hat, sind die beiden natürlich eher selten. Aber wenn, dann völlig unaufgefordert und selbstverständlich. Wenn es darauf ankommt, halten sie zusammen. Und das ist, was am Ende zählt.
Ein toller Beitrag! Meine beiden Großen sind 17 Monate auseinander, müssen sich ein Zimmer teilen und sind so unterschiedlich vom Charakter, da sind Streitereien mit Handgreiflichkeiten natürlich vorprogrammiert.
So tolle Sprüche wie „der klügere gibt nach“ helfen da auch nicht immer. Ich bin auch schon manchmal ziemlich verzweifelt, aber gebe die Hoffnung nicht auf das sich das irgendwann ändern wird und diese Situationen das Band zwischen ihnen einfach fester macht und den Zusammenhalt stärkt.
Liebe Grüße
Sharon
Toller Beitrag! Vielen Dank 🙂 Meine zwei Größeren haben sich auch oft in den Haaren und weil sie so nah beieinander sind ( alterstechnisch), geht es viel darum wer größer, besser, stärker, schneller usw ist. Ich glaube, dass ich mich ch zu oft einmische und muss lernen mich da mehr rauszuhalten. Natürlich nur so, dass sie dennoch das Gefühl haben, in der Not Hilfe zu bekommen oä Naja, es ist noch keine Meister vom Himmel gefallen und ich will auch keiner werden – schreibst du ja ebenso ähnlich. Wir wachsen mit unseren Kindern und das ist auch gut so. Letztenendes merken unsere Kinder, dass wir da sind – menschlich, fehlbar, aber mit einer riesen Portion Liebe 💜
„Letztenendes merken unsere Kinder, dass wir da sind – menschlich, fehlbar, aber mit einer riesen Portion Liebe 💜“
so schöne Worte, liebe Ulrike!
Ich denke auch, dass es wichtig ist, dass unsere Kinder wissen, dass wir nicht unfehlbar sind. Ich spreche oft mit meinen Kindern über meine Ängste beim Autofahren. Sie sehen wie ich mich meiner Angst jedes Mal stelle und lernen hoffentlich daraus, dass es nicht schlimm ist Angst zu haben und dass es okay ist nicht perfekt zu sein.
Hallo Katharina, ich habe schmunzelnd deinen Bericht gelesen. Wie sich doch alles so wiederholt
Im Leben egal in welchen Familien. Ihr macht das mit der Erziehung wirklich gut. Erziehung von Kindern ist wirklich sehr anstrengend und aufreibend. Ich kann davon ein Lied singen. Nun sehe ich bei meinen Enkeln, dass sich die Erziehung meiner Kinder gelohnt hat. Meinen Enkeln werden auch diese Werte vermittelt, die für ein gutes Miteinander wichtig sind. Zimmer aufräumen ist warscheinlich in allen Familien ein besonderes Thema. Bei meinen beiden kleinen Enkeln ist es im Moment wegen der vielen Legosteinen ein großes Problem. Du kennst das warscheinlich auch.