Allgemein, Mein Leben mit dem Besonderen

Mein Leben mit dem Besonderen #56 … und immer Spaß dabei!

Hallo, mein Name ist Amrita.

In meinen nunmehr 26 Jahren, bin ich zwar schon öfter Behinderung begegnet, habe sie aber selten als diese wahrgenommen, entweder, weil sie mich nicht direkt betroffen hat oder mir, als Kind, nicht bewusst gemacht wurde. So gab es in dem Dorf, in dem ich aufwuchs, einen jungen Mann, mit dem spielten wir oft. Er erzählte uns von seiner Arbeit, war ganz stolz darauf, dass er dort lernte, wie man Körbe flechtet. In unseren Augen war er „alt“, war uns aber egal. Waren wir mit ihm unterwegs um zu spielen, sorgte sich niemand um uns. Bei anderen „älteren“ Jungen/Männern, gabs immer Vorträge von unserer Mutter, wir durften nicht hin und mit ihnen spielen.

Seine freundliche und offene Art machte ihn aber zu unserem Freund, obwohl er vom Alter her eher einer unserer Eltern sein konnte. An sein Aussehen kann ich mich nicht erinnern, denn das war für uns alle damals so unwichtig, wie auf saubere Kleidung zu achten oder darauf, keine Löcher in die Hosen zu reißen.

Dass dieser junge Mann behindert war, wurde mir erst viele Jahre später klar, als ich 2013 mit meiner Ausbildung als Heilerziehungspflegerin begann und mich an diese Zeit zurückerinnerte.

Jahre lang sollte diese Begegnung die einzige sein zwischen mir und einem Menschen mit Behinderung.

2011 bekam ich dann einen Anruf. „Hallo, ich bin die Mama vom kleinen Räubermädchen und wir haben deine Nummer bekommen mit dem Hinweis, du seist ein guter Babysitter. Wir würden uns freuen, wenn du unserer wirst.“ Da kann man doch nicht nein sagen, Schmeicheleien helfen immer.

Zwei Tage später klingelte ich an der Tür und wurde freudig empfangen. Die Mama brachte mich in die Küche, wo das Räubermädchen auf dem Boden saß und spielte.

Ich stellte mich vor und wir klärten Einzelheiten, gaaanz wichtig, die Bezahlung. Daraufhin wurde mir das Räubermädchen gereicht mit den Worten, „Unsre Maus hat ein kleines Extra, ihr Herzchen ist operiert“. Mehr Erklärung kam nie, doch damit war alles gesagt und MEIN Herzchen war verliebt. In einem Gespräch einige Jahre später, sagte mir ihre Mutter, dass sie sich daran erinnert, dass ich schon am ersten Tag mit der Kleinen allein auf den Spielplatz gegangen bin.

Die Zaubermaus kam 2009 mit dem Down-Syndrom zur Welt und wurde kurze Zeit später am Herzen operiert, danach war sie bereit, die Welt im Sturm zu erobern.

Und das tut sie auch. Wie jeder Mensch, hat auch die Räubertochter ihren eigenen Kopf und entwickelt ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein.

Seit diesem Tag im Frühjahr 2011, hat sich mein Leben von Grund auf verändert.

Ich hab mein Studium beendet und bin in die Sonderpädagogik gewechselt. Selbst nach nun fast 5 Jahren, bin ich immer noch der Babysitter des inzwischen großen Räubermädchens.

Wir sind zusammen in die Krippe gegangen, dann in den Kindergarten gewechselt und nun, im Sommer, kommt ein neues Abendteuer. Die Schule. Wir sind alle total gespannt und mein Herz schlägt nun nicht mehr als Babysitter sondern als Wegbegleiter, der die kleine Maus nie wieder Missen will.

Mein größter Wunsch ist es, dass wir im Sommer gemeinsam die Schule besuchen und ich ihr die nächsten Jahre weiter dabei helfen darf, ein ganz besonderer Mensch zu sein. Und völlig egal, was wir miteinander erleben werden, wir haben immer Spaß dabei.

2 Kommentare

  1. Barbara Oktoberkind sagt

    Du weltbeste Begleiterin! Schön, dass Du für unser Räubermädchen da bist 😘

  2. das ist sehr schön
    ja.. diese Kinder sind oft etwas Besonders und ich finde es sehr schön dass du dieses Kind immer noch begleitest..
    als Kind gab es die Bezeichnung „behindert“ bei uns eigentlich auch nicht
    ich hatte eine Spielgefährtin.. Lilly hieß sie.. sie war die ältere Schwester einer Freundin von mir
    sie war „anders“ aber immer in unser spielen mit eingebunden.. sie hatte Schwierigkeiten deutlich zu sprechen..und war wohl geistig zurück geblieben..
    allerdings wurde ich etwas vorsichtiger nachdem sie mir einen Schlüssel auf den Kopf gehauen hatte 😉
    ich wusste nicht warum..
    liebe Grüße
    Rosi

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