Allgemein, Mein Leben mit dem Besonderen

Mein Leben mit dem Besonderen #39 Besondere Begegnungen

Ich bin meinen Eltern sehr dankbar für ihre Offenheit, mich bewusst in eine Integrative Grundschule, in eine I-Klasse zu schicken. Wir hatten 4 Kinder mit Förderbedarf, die aber –in meiner Erinnerung- ganz normal zur Klassengemeinschaft gehörten, Freunde von uns waren. Ein Junge, Florian, ist mir in sehr starker Erinnerung geblieben. Er war geistig behindert und saß im Rollstuhl, hatte aber einen unglaublichen Charme, mit dem er um sich warf. Er hat immer wieder geübt, zu laufen, dann war es eines Tages soweit : Mein Klassenlehrer klappte die große Tafel komplett auf, schob Florians Rolli an die eine Seite, Florian stand auf und lief wackelig, sich festhaltend, einmal die gesamte Tafellänge entlang (ich krieg immernoch Gänsehaut wenn ich daran denk). Als er angekommen war, stand die ganze Klasse auf und applaudierte ihm begeistert. Er war soo stolz! Und wir auch.

Vielleicht war diese Klasse auch ein Anreiz für mich, später mit behinderten Kindern arbeiten zu wollen. Erst in einem Wohnheim, dann, nach meiner Erzieherausbildung, in einer Förderschule, wo ich einen schwerst-mehrfach-behinderten Jungen 5 Jahre lang begleitete. Er konnte (in den Augen der meisten Menschen) nix, musste oft beatmet werden, brauchte sehr viel Sonderbehandlung. Und doch…..Dieser kleine Mann war klasse. Er hatte eine Lebenserwartung von 3 Monaten und kämpfte sich durchs Leben. Es war eine unglaubliche Bereicherung, mit ihm arbeiten zu dürfen, es war toll, wenn er wach war, es schien, als ob er alles ganz genau verfolgen würde, mir zuhörte, auf seine Art mit mir kommunizierte.

Nach 5 Jahren wurde Robin ausgeschult, weil er gesundheitlich sehr abbaute. Und doch wurde er noch 15 Jahre alt….Er, dem die Ärzte kaum eine Chance gaben. Den die meisten Menschen nur mitleidig anschauten. Der meine Augen geöffnet hat für kleine Lichtblicke…..

Jetzt arbeite ich als Tagesmutter. Oft werde ich gefragt, ob ich bereit wäre, auch Kinder mit Behinderung aufzunehmen. Sie sind oft schwer zu verstehen. Sie sind oft pflegeintensiver. Sie haben oft besondere Hilfe nötig. Und doch…. Sind sie wunderbare Menschen, die besondere Gaben haben. Die bereichern. Herzen und Augen öffnen. Dazu gehören.

(Ich bin Melanie, 30 Jahre alt und wohne in NRW )

5 Kommentare

  1. jor muckelchen sagt

    Ich hab grad echt Gänsehaut bekommen. Solche Geschichten berühren doch immer wieder und lassen uns unsere „Probleme“ in einem anderen Licht erscheinen. Viel mehr sollten wir uns über die kleinen Dinge freuen, die wirklich nicht immer selbstverständlich sind!
    Ich liebe diese Berichte am Freitag, Katharina!

    LG und schönes Wochenende, Nicole

  2. Birthe sagt

    Hallo Melanie,
    dein Beitrag berührt mich sehr und ich wünschte wir würden dich als Tagesmutter bekommen 😉
    Vielen lieben dank!
    Birthe

  3. Knodel Inge sagt

    Hallo Melanie!
    Ich kann dir nur von ganzem Herzen zustimmen. Schön das es dich gibt. Liebe Grüße Inge

Kommentare sind geschlossen.