Allgemein, Down-Syndrom, Familienleben, Lillestoff, Werbung

Über kleine Risiken und Nebenwirkungen

Wir bekommen oft zu hören „Toll wie Ihr das macht!“ und eigentlich machen wir doch alles ganz normal, nach dem besten Gewissen und Wissen, meistens rein intuitiv. Lob ist schön zu hören, trotzdem macht es mich verlegen.

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Aber es gibt Störfaktoren. Das sind Meinungen anderer, die es besser wissen. Das sind Artikel darüber wie es richtig funktioniert in der Erziehung (an denen man irgendwie nicht vorbei lesen kann). Viele Ansichten, die unterschiedlichsten Erziehungsmodelle und doch weichen sie irgendwie von den eigenen ab… plötzlich ist man verunsichert, weiß nicht mehr was richtig und was falsch ist. Die Intuition, die eigentlich zum Elternsein als wertvolles Geschenk mitgegeben wurde, bröckelt vor sich hin.

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Es gibt Zeiten, in denen läuft ens rund bei uns. Manchmal ist das tatsächlich so. Aber die Regel ist es nunmal leider nicht. Ein Kind, das die Nacht über getobt und alle am Schlafen gehindert hat – der nächste Tag ist als Katastrophentag vorbestimmt. Alle sind müde. Stress im Job, die Kinder sind quengelig. Abends wollen sie nicht schlafen, weil sie unausgeglichen sind. Weil man selbst unausgeglichen ist. Ein Teufelskreis.

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Ein Kind mit dem Down-Syndrom zu erziehen ist Arbeit. Viel Arbeit. Genau so wie es bei allen anderen Kindern mit oder ohne Syndrom manchmal ein Knochenjob ist. Zermürbend und dennoch unglaublich bereichernd. Ich will das nicht mehr missen.

Ein unglaublich starker Wille und eine Sturheit, die mich manchmal total entwaffnet und an einen Punkt bringt, an dem ich mit meinem Erziehungslatein am Ende bin, an dem ich am liebsten einfach nur losheulen würde.

Der Sonnenschein weiß um diese Hilflosigkeit und nutzt sie für sich, ganz besonders wenn wir unterwegs sind. Gerade, wenn wir unterwegs sind. Viel zu schnell verfallen wir in ein Schema es dem Sonnenschein bloß recht zu machen, damit keins ihrer Gewitterwetterchen aufzieht. Wir machen Fehler. Aber wir arbeiten stets daran.

In meiner Selbstreflexion fallen mir immer wieder Dinge auf, die ich besser hätte anders machen sollen. Ich stelle zu oft Fragen, statt klare Anweisungen zu geben. Und mein, nein unser Fehler ist, dass wir die Regeln viel zu häufig biegen, statt sie starr und unveränderbar stehen zu lassen. Wir haben Regeln, die ganz fest verankert sind, die wir auch nicht immer wieder wiederholen müssen, weil sie einfach klar sind. Natürlich gibt es immer mal Tage, an denen eins der Kinder den Bestand dieser Regeln prüft, wie so eine kleine allgemeine Verkehrskontrolle.

Im Alltag gibt es aber immer wieder Situationen, in denen es trotz Regeln und trotz Konsequenz klemmt. Ich schaffe es nicht immer durchgehend konsequent zu sein. Ja, ich habe meine Schwachstellen. Auch die sind wichtig. Es ist wichtig, dass auch Kinder lernen, dass ihre Eltern nicht Fehlerfrei sind.

Genau so wichtig sind aber auch feste Strukturen und klar formulierte Regeln. Feste Strukturen und Rituale haben wir über die vergangenen Jahre geschaffen, weil sie für den Sonnenschein unglaublich wichtig sind. Wenn ein Tag von dem üblichen Tagesablauf abweicht, hängt der Haussegen prompt schief. Und natürlich gibt es bei uns auch Regeln und Konsequenzen, aber in meiner eigenen Reflexion und in mehreren Gesprächen mit der Erzieherin vom Sonnenschein musste ich feststellen, dass wir sie viel zu häufig den Launen unserer Kinder anpassen. Rote Karte für uns.

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Gestern war ich mit dem Sonnenschein bei einer ganz wunderbaren Frau, die Familienberatung macht und in Köln bekannt ist für ihr Programm „Starke Eltern, starke Kinder“. Ich brauchte einfach Input, um die Knoten in unserem Erziehungsmodell zu lösen (oder zumindest ein wenig zu lockern). Ziemlich beflügelt ging ich aus der Sitzung wieder raus, ein paar wirklich wertvolle Lösungsansätze in der Tasche und den guten Vorsatz es damit einmal auszuprobieren. Wichtig ist dabei vor allem die Konsequenz niemals als Strafe aussehen zu lassen, sondern als eigene Entscheidung des Kindes. Das erfordert sicherlich erst einmal viel Umdenken und ein Durchbrechen alter Gewohnheiten. Am Ende ist es aber einfacher und eben auch viel harmonischer… für alle.

Ich spürte meine eigene Unsicherheit als ich dem Sonnenschein untersagte eine Tür zu öffnen. Sie streckte mir die Zunge raus und herrschte mich an „Lass mich in Ruhe! Du blöde Pupskanone!“ (immerhin war es nicht das A…loch Wort, das sie vor einigen Wochen mit nach Hause gebracht hat). Beim Löwenkind könnte ich sagen „Ich möchte nicht, dass Du so mit mir redest!“ und dann gäbe es eine situationsbedingte Konsequenz als Folge. Aber dieses Schema F funktioniert beim Sonnenschein leider überhaupt nicht. Erziehung nach Lehrbuch ist bei ihr nicht anwendbar. Jedes Kind benötigt eine ganz individuelle Erziehung. Der Sonnenschein benötigt vor allem eine mit festen Regeln und Strukturen.

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Wir sind seit ein paar Wochen dabei unsere Regeln neu zu strukturieren, überschreiten immer häufiger unsere eigenen Grenzen und lösen Blockaden, indem wir dem folgenden Protestschreien keinen Einhalt gewähren, indem wir ihr Geschrei nicht mehr mit irgendwelchen Dingen ruhig stellen. Manche Dinge regeln sich von ganz alleine, wenn man ihnen weniger Beachtung schenkt.

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Unser kleiner Löwe prüft uns im Moment sehr, imitiert das herausfordernde Verhalten und hält uns einen Spiegel vor. Die gleichen Sitzstreiks und Brüllereien vor der Kita, wie einst seine Schwester, weil er lieber getragen werden möchte, statt zu laufen und Trotzanfälle aus dem Nichts heraus, denn je lauter man ist, umso eher bekommr man seinen Willen – gelernt von der Schwester. Ja, da macht es dann auch *klick* bei mir.

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Vorgestern Abend war auch so eine Situation. Ich sagte zum Löwenkind „Du musst Dein Zimmer aufräumen, es ist alles total durcheinander!“ und er schaut mich mit seinen großen Augen an und sagt „Neeeeiiiiin, ich möchte doch spielen!“. Entwaffnende Kinderlogik.

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Stoff: Pink Sevenbark von lillestoff, Design von Stefanie Krauss

Schnitt: Strandkleid von ki ba doo

12 Kommentare

  1. Martina sagt

    Liebe Katharina,
    deine Worte berühren mich sehr. Es ist so schwer, alles richtig zu machen, wenn es doch keine Schablone, kein Schnittmuster dafür gibt. Das Besondere fordert eben auch das Besondere und es gibt keine Standardanpassung.
    Ich habe einen Bruder mit Down Syndrom und habe erst sehr spät verstanden, dass er behindert ist. Für mich war es einfach ganz normal, dass er einige Dinge nicht so gut hinbekommen hat. Wir haben uns einfach intuitiv verstanden. Fast wie Zwillinge. Nach und nach habe ich erst begriffen, dass er eben nicht „normal“ ist. In meiner Wahrnehmung innerhalb der Familie war er total normal, nur im Kontakt mit der „Außenwelt“ fiel auf, dass er nun doch anders reagierte, als man es erwarten sollte. Ich habe früh gelernt, dass „innen und außen“ nicht immer kompatibel waren.
    Ich kann erahnen, welch ein Eiertanz es ist, „die Richtigen“ Entscheidungen für den Sonnenschein zu treffen. Sie scheint eine sehr starke Persönlichkeit zu sein, die alle Energien und Klarheiten der Eltern fordert. Ich wünsche Euch wirklich von ganzem Herzen, dass ihr Eure Intuition im Herzen behaltet und dies als Wegweiser nehmen könnt. Niemand kann sagen, was richtig ist, ihr könnt aber fühlen, was sich richtig anfühlt.
    Herzlichst
    Martina

  2. Wirklich ein ganz toll geschriebener Text. Und ich glaube das bis jetzt jedes Elternteil in genau solche Situationen gekommen ist und das diese völlig normal sind und auch immer wieder im Leben vorkommen werden! Ihr seht toll zusammen aus 🙂

  3. Liebe Katharina,

    ein wunderschön geschriebener Text mit tollen Bildern! Auch Erziehungstücken das Thema sind, so empfinde ich den Text als Liebeserklärung an euch als Familie und den Sonnenschein. Du zeigst die menschlichen Schwächen im Familienleben auf ohne dabei Vorwürfe zu machen. Das gefällt mir. Und es ist immer wieder eine grossartige Leistung sich Hilfe zu suchen, wenn man für sich allein keine Lösung findet.
    Danke für den Text!
    LG,
    Gordana

    • Liebe Gordana,

      vielen Dank für Deine lieben Worte. Das tut unglaublich gut zu lesen. Ja, da fällt mir ein, dass ich unbedingt mal Frau Lück anrufen muss und den nächsten Termin vereinbaren.

      Liebe Grüße
      Katharina

  4. Hallo.
    Ich finde deinen Blog echt toll. Ich lese noch nicht so lange mit, aber heute möchte ich gerne mal sagen, wie gut ich deine Seite finde. Ich stehe nämlich immer ziemlich alleine da, wenn ich argumentiere, dass es für mich keinen Unterschied gibt, ob ich ein Kind mit einer Behinderung oder ein nicht-behindertes Kind erziehen soll. Leider verstehen das so viele nicht. Dabei ist es doch so einfach, dass jedes Kind einfach das bekommen sollte, was es braucht und dieser Artikel beschreibt genau das. Dafür brauchen Kinder Eltern, die sich ihnen immer wieder offenzuwenden und reflektieren. Ich finde ihr beschreitet einen tollen Weg. Vielen Dank, dass ich daran teilhaben darf! Viele Grüße. Paula

  5. Also ich finde den Text wunderbar. Der könnte glatt von mir sein. Manchmal ertappe ich mich dabei, wie ich über andere Eltern und ihre Erziehung urteile (was ich total verwerflich finde). Bei uns läuft ja auch nicht alles perfekt.

    Ich habe mir anfangs auch ganz oft reinreden lassen und Bücher gelesen, welche mittlerweile im Regal verstauben. Haben sie mich doch nur verunsichert.

    Ich finde, das beste Feedback, was man selbst bekommen kann, sind glückliche Kinder. Auch wenn sie manchmal frustriert weinen (wegen den bösen Regeln). Und ich glaube, dass du sie hast. Außerdem kann man nicht jedem Kind die gleiche Regeln vor die Nase setzen. Manche brauchen mehr, manche weniger. 😉

  6. Katrin sagt

    Katharina, du und der Sonnenschein ihr seid ein so entzückendes „Paar“ auf den Fotos, dass auch mir nur zu sagen bleibt „weiter so, alles gut“ 🙂

    LG Katrin

  7. Antonia Koster sagt

    Hallo
    wenn ich die Bilder so betrachte,und sehe, wie ihr zwei euch so verliebt anschaut,kann ich nur sagen;alles richtig gemacht!!!

  8. Knodel Inge sagt

    Liebe Katharina!
    Ich habe 4 Kinder versucht zu erziehen. 3 habe ich geschenkt bekommen. Ihre Mutter ist mit 31 Jahren nach einem Hirnschlag beim Staubsaugen in der Wohnung gestorben. Damals waren sie 7,knapp 9 und knapp 11 Jahre. Bei der Heirat mit ihrem Papa 12, 14 und 15,5 Jahre. Mein Carsten war 6 Jahre. Ich hatte Glück, es sind wunderbare Menschen geworden. Unsere Tochter nahm sich mit 23 Jahren das Leben. Sie war an Schizophrenie erkrankt und ein 3/4 Jahr in stationärer Behandlung. Viele haben mir vorgeworfen, dass es an mir gelegen hätte das sie erkrankt ist. Ich war angeblich die böse Stiefmutter. In Wirklichkeit war es nicht so. Wir hatten ein wirklich gutes Verhältnis.Bei unserer Tochter Katja gab es immer ein auf und ab im Leben einmal himmelhoch und dann wieder zu tode betrübt. Alles war sehr schwierig. Warscheinlich hatte es mit ihrer späteren Erkrankung zu tun. Diese Erkrankung hat uns als Familie noch stärker zusammen geschweißt. Meine 3 Buben heute 48,46 und 40 verstehen sich untereinander und mit uns sehr gut. Sie unterstützen mich wo sie nur können. Ich habe damals den Sprung ins kalte Wasser gewagt mit all seinen Schwierigkeiten und habe viel für mein Leben gewonnen. Ich würde jederzeit wieder so handeln. Natürlich habe ich auch viele Fehler gemacht in der Erziehung. Warscheinlich war ich zu streng aber ich liebe meine Kinder sehr mit all ihren Macken. Denn ich habe auch viele Macken und möchte so genommen werden wie ich bin. Erziehen ist immer anstrengend und ihr macht es sehr gut.
    Liebe Grüße Inge

    • Puuuh! Das sind aber ziemlich harte und unfaire Vorwürfe, mit denen Du Dich neben der Trauer konfrontieren musstest. Umso schöner zu lesen, dass Euch diese Hürden nur noch mehr zusammen geschweißt haben.

      Liebe Grüße
      Katharina

  9. Monique sagt

    Hallo,
    das hast du schön geschrieben!
    Auch ich habe häufig an meiner Mütterlichen Intuition gezweifelt, aber lass dich nicht beirren. Egal was andere sagen und meinen. Du und deine Familie seid einzigartig und man kann keine Familie nach Lehrbuch erziehen.
    Ich sage Familie, da sich alle anstrengen müssen.
    Auch für die Kinder ist es schwer neue Regeln zu erlernen 😉
    Ich kenne das Problem der starren Regeln nur zu gut, und weiß das es mehr als schwierig ist sie durchzuhalten, erst recht wenn man so gar keinen Nerv mehr dafür hat und sie schon gefühlte 1000 mal durchsetzten musste.
    Ich drücke dich unbekannterweise aus der Ferne und hoffe das es etwas Kraft gibt.
    Starke Eltern, starke Kinder ist ein tolles Programm. Ich habe es selbst schon vor 3 Jahren besucht und werde zur Auffrischung noch einmal hingehen.
    Ich finde es toll zu lesen, das jemand so offen darüber berichten kann, das er nicht perfekt ist. Mir fehlt oft der Mut dazu!
    Nur weiter so… ihr alle macht das klasse und nun werde ich wieder in der Versenkung verschwinden und still mitlesen.
    LG Monique

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