Allgemein, Down-Syndrom, Mein Leben mit dem Besonderen

Mein Leben mit dem Besonderen #20 Das Leben mit all seinen Facetten

Mein Sohn mit DS kam vor guten 4 Jahren zur Welt…
Mein Mann und ich waren 5 Jahre zusammen, sehr verliebt und wir wünschten uns ein Kind! Und nach etwa 3 Monaten hielten wir voller Glück einen positiven Schwangerschaftstest in Händen. Ich ging zu den Vorsorgeterminen und wir posaunten es in die Welt hinaus! Beim Termin in der 12. Woche kam mein Mann mit zum Arzt, er sollte unbedingt auch sehen, wie unser Krümel im Ultraschall aussieht, wie man Bewegungen sieht und sowas eben. Wir waren ganz freudig aufgeregt!!
Als der Arzt geschallt hat, kam dann ein komisches Gefühl in mir auf, weil es mich gewundert hat, dass er so komische Ausschnitte des Ultraschalls ausgedruckt hat und nix geredet hat. Mein Mann wusste ja nicht, wie das die Male zuvor war und beim Anziehen sagte ich noch zu ihm, dass das nun doof sei, dass da gar kein so ’nettes‘ Bild dabei sei.
Wir sind rüber ins Sprechzimmer und plötzlich fielen bei diesem ’12.Woche, wenn alles ok, dann könnt ihrs aller Welt erzählen‘-Termin Worte wie ‚Auffälligkeiten‘, ‚Nackenfalte‘, ’sofort in die Uni‘, ‚abklären lassen‘, ‚Choriozottenbiopsie‘ – ich verstand nichts mehr… Nein, eigentlich verstand ich, aber ich brach völlig zusammen, es war kein Halt mehr da und keine Fürsorge oder Anteilnahme oder Aufklärung von Seiten des Arztes oder der Helferinnen. Wir bekamen den Termin in der Uni in die Hand gedrückt und sind gegangen. Ich habe meinem Mann was von ‚Hinweis auf Down Syndrom oder offener Rücken‘ erzählt und er verstand langsam, warum ich da so zusammenbrach. Wir sind heim und mussten die Zeit überbrücken… Also gegoogelt… Da haben wir viel gelesen. Ich fand es war hilfreich, da wir zuvor ja wirklich keine Erklärung bekommen hatten. Mir war es ein großes Anliegen, dass wir noch bei einer Freundin vorbei fuhren, weil ich die Angst hatte, dass ich ihr sonst erst von meiner Schwangerschaft erzählen könnte, wenn ich vlt. schon nicht mehr schwanger war.
In der Uni war es natürlich ein blödes Bangen und Hoffen. Der Ultraschall ergab ein Risiko von 1:65, dass es Trisomie 21 ist, bei Trisomie 13 und 18 war es viel geringer. Es waren ganz tolle Ärzte dort, die sich alle Zeit genommen haben und mich auch wirklich dort abholten, wo ich war. ‚Sie müssen keine Untersuchung machen lassen, die sie nicht möchten! Sie können sich viel Zeit lassen! Sie müssen nicht abtreiben! Selbst wenn ihr Kind nicht lebensfähig wäre, muss es nicht abgetrieben werden. Wir machen einen Termin für die Fruchtwasseruntersuchung und wenn Sie dann nicht kommen möchten, dann rufen Sie kurz an und geben Bescheid.‘
Wir haben uns nach viel Heulerei wieder gefangen und waren voller Hoffnung! Nicht voller Hoffnung, dass wir kein Kind mit DS bekommen, sondern dass wir ein gesundes Kind bekommen! Die Frage, ob wir eine FU machen lassen, hat uns bis zum Tag des Termines schwer beschäftigt. Das Ergebnis war uns eigentlich egal, aber wir dachten, wenn wir wüssten, dass unser Kind mit dem DS zur Welt kommt, dann könnte man sich besser vorbereiten… Eine Vorstellung von mir war z.B., dass dann neben dem Kreissaal schon das Team der Kinderherzspezialisten steht, die im Notfall gleich handeln können. Naja, wir hatten halt nicht wirklich Ahnung 😉
Ich hatte Angst vor der Spritze, die da so nah an mein Kind kam… Aber wir habens machen lassen, vlt. auch um endlich Gewissheit zu haben. Wieder eine ganz tolle Ärztin in der Uni.
Ein paar Tage später kam ich von der Arbeit nach Hause und mein Mann sagte, dass die Ärztin angerufen hätte. ‚Wir bekommen einen Jungen!‘ Ach, das war eine tolle Nachricht!!! (Obwohl ich doch dachte, ich bekomm ne Emilie ;)) Und ist er ‚gesund‘? ‚Er hat das Down Syndrom.‘ Ich glaub meinem Mann ging es ähnlich… Wir haben uns sehr gefreut, unser Kind wird ein Junge!!! (Eigentlich ohne Grund, aber es war schön, das zu erfahren.) und die Ungewissheit war zu Ende, das hat uns sehr erleichtert! Und ja, es war auch wieder traurig, weil unser Kind anders kommt, als wir es erwartet hatten. Wir schauten ganz positiv in die Zukunft, waren sicher, dass wir eine tolle Familie sein werden, ganz gleich wieviele Chromosomen da dann rumschwirren.
Zum Frauenarzt ging ich nicht mehr gerne, er machte mir deutlich, dass er die Entscheidung nicht so getroffen hätte, ich’s doch in meinem Alter einfach nochmal versuchen könne und dann lag plötzlich das Buch ‚Außergewöhnlich‘ im Wartezimmer.
Wir haben wieder in unsere alte Form zurück gefunden und posaunten nun halt in die Welt ‚Hey, wir bekommen ein Baby mit Down Syndrom und freuen uns wahnsinnig!‘
Irgendwann ist dann mein Bauch immer mal hart geworden… In den Büchern liest man, dass die Gebärmutter schonmal übt und bei den Untersuchungen war alles in Ordnung. Ich hatte recht viel Fruchtwasser und somit ne mega Plauze… Konnte mir gar nicht vorstellen, dass das noch 4 Monate so gehen soll. Dann ging’s mir mal gar nicht gut und ich hab beim Arzt angerufen und die besorgniserregenden Anzeichen geschildert… Ich sollte um 15 Uhr kommen. Tja, eine Arbeitskollegin hat zu meinem Mann gesagt, dass er mich sofort ins Krankenhaus fahren solle!!! Gesagt, getan, wir haben uns angemeldet, sind runter Richtung Kreissaal und als ich vor dem Tresen stand, hat es einen großen Platscher gemacht und mein ganzer Bauch war weg. Die Hebammen alle ganz nett ‚kein Problem, das war nur das Fruchtwasser’… ‚Ähm ja, aber wir sind in der 24. Woche!!!‘ Da wurde es hektisch! Ich bekam unklare Blutungen, die Ärzte wussten nicht wirklich was los war… Chaos… Irgendwann sagte der Stationschef ‚Ihr Kind wird in den nächsten 48h zur Welt kommen, sie bekommen jetzt die Lungenreifung und dann hoffen wir, auf möglichst viel Zeit!‘ Kinder, die in der SSW zur Welt kommen, haben auch gute Chancen, (%Angaben, wie gut die Entwicklung von Frühchen sein kann oder welche Einschränkungen vorkommen, welche großen Komplikationen) und wir sollten entscheiden, was die Ärzte bei einer jetzigen Geburt machen sollen… Kind voll versorgen oder nicht. Ja, 45 Min. später hatte ich dann schon sämtliche Formulare unterschrieben und wurde in den OP geschoben. Unser Marlon kam 23+6 auf die Welt… Das ist kein guter Start!! Wir hatten uns zuvor für die Versorgung unseres Kindes entschieden, waren wir doch eh auf ein behindertes Kind eingestellt. Als ich aufwachte, erzählte mir mein Mann, dass Marlon ganz klein ist und auf der Intensivstation liegt und ganz verkabelt ist und so… Ich durfte erst nach zwei Tagen zu ihm und obwohl ich schon ein Foto gesehen hab… Ich war wieder völlig am Ende. Das kann man sich gar nicht vorstellen, was das für Eindrücke sind, die da auf einen treffen… Und irgendwo da liegt mein Kind ganz allein in so nem Kasten, der so wirklich gar nichts mehr mit diesem ‚Mamabauchgefühl‘ zu tun haben kann, außer vlt. die Temperatur. Mein Mann hat mich an einen Platz geschoben und dann kam ein Arzt, der erstmal mit ner ‚Damenbinde‘ die Feuchtigkeit von der Scheibe gewischt hat, damit ich reingucken konnte. Krasse Sache, das ist echt Ausnahmezustand, da funktioniert nix mehr im Hirn.
Ja, das ist nun gute 4 Jahre her. Und es waren 4 prall gefüllte Jahre… Mit Glück und Unglück, Trauer und Freude, Elan und Missmut, Wut und Zufriedenheit, mit vielen vollen Windeln und schlafarmen Nächten, wofür Marlon fleißige Unterstützung durch seinen ‚kleinen‘ Bruder hat.
Für uns ist das LEBEN und für mich bedeutet das, dass es niederschmettern kann, aber dass es auch unvorstellbar kraftvoll ist!

1 Kommentare

  1. I♥JoJuJanna sagt

    Ein sehr ergreifender Bericht. Was diese Familie schon alles durchmachen musste und doch spürt man die positive Energie, den Glauben und die Zuversicht, dass alles gut wird und dass jede Hürde zu meistern ist. Eine starke Familie! Meinen größten Respekt!!
    ♥lich, Carmen

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