Ich bin eine eher stille Leserin deines Blogs- aber eine Begeisterte.
Ich liebe deine Art zu schreiben, deine positive Art und wie du trotzdem nicht vom Realismus abkommst. Oder umgekehrt.
Du bist eine starke Frau, ihr seid eine starke Familie und das ist wirklich bewundernswert.
Schon länger überlege ich ob ich mich auch zu Wort melde, zum Theme Pränataldiagnostik. Das Thema ist umstritten, jeder hat eine Meinung. Viele sind betroffen.
Irgendwie trifft unsere Geschichte auch etwas „Besonderes“, nicht jedoch im Sinne eines Syndroms.
Lass’ mich von vorne anfangen.
Frühjahr 2010, ich war junge 17 und hielt einen positiven Schwangerschaftstest in der Hand.
Mein Freund und ich zogen aus der Stadt ins Mittel-Grüne, stellten uns auf das Baby ein.
Mein Frauenarzt, ein unsensibler Herr in hellrosa Polohemd mit Goldkettchen und braungebrannten Muskeln, riet mir eindringlich zu einer Nackenfaltenmessung. Ich sei jung, das Risiko hoch. Eine Standarduntersuchung.
Welches Risiko? So ganz wurde mir das nicht erläutert, ich war aber ehrlich gesagt auch immer wirklich froh wenn die Untersuchung um war, so ganz warm wurden wir nie. Arzttermine sind aber nicht leicht zu bekommen und so recht die Energie mich nach einem anderen umzusehen hatte ich zu dieser Zeit auch nicht.
Die Nackenfalte wurde gemessen und sie war verdickt.
Ein wenig, nicht viel. Man riet mir zu einer genaueren Untersuchung in einem Spezialzentrum für Pränataldiagnostik.
Ich fühlte mich überrumpelt, hilflos und willigte ein.
„Ein Kind mit Downsyndrom, Sie sind noch so jung… Das wäre schwierig, lassen Sie es uns untersuchen“ Die Ärzte waren sehr nett, offensichtlich auch einfach in Sorge, ich wieder: verunsichert, überrumpelt, hilflos. Es endete mit einer Chorionzottenbiopsie. Das Risiko? Mir nicht vollends bewusst.
In der Zeit zwischen Test und Ergebnis viele Tränen, Verzweiflung. Das Baby würden wir behalten. Wir haben uns doch schon gefreut. Oder doch nicht? Bei „normalen Down Syndrom“ ist das doch machbar.
Der Befund: Unauffällig. Alles okay.
Wir freuten uns, stellten uns wieder auf das Baby ein. Gegen Ende der Schwangerschaft folgte noch ein Organscreening welches ebenfalls unaufällig verlief.
Nach der Geburt ist unsere Tochter etwas gelb, es wird nicht weniger.
Zu Weihnachten sitze ich neben meiner Tochter im Schwesternzimmer, sie wird mit blauem Licht bestrahlt. Der billige Plastikbaum beleuchtet. Ihre Augen sind verbunden damit sie das Licht nicht blendet. Ich weine. Leise.
Das Baby ist krank, keiner weiß was unserer Tochter fehlt. Die Leber arbeitet nicht wie sie soll. Es folgen 5 Wochen Intensivstation.
Ob mein Baby sterben wird will ich wissen- das könne man mir nicht beantworten. Warum hat man das nicht im Organscreening gesehen?
Immer wieder werde ich von Ärzten gefragt ob ich Drogen nehme oder während der Schwangerschaft genommen hätte. Nein. Man glaubt mir nicht, es müsse ja einen Grund geben und dieser müsse doch ersichtlich sein.
Die Leber vernarbt und vernarbtes Gewebe kann nicht mehr arbeiten. Unsere Tochter bekommt unterstützende Medikation.
Der Prozess verlangsamt sich.
Heute, 4 Jahre später- es geht ihr gut. Regelmäßige Blutuntersuchungen, Ultraschalls. Ob es ihr wieder schlechter gehen wird, wisse man nicht.
Sie hat oft Bauchschmerzen. „Mama, es geht schon. Fühlt sich nur so an als würde ich ein Baby bekommen. Aber… eigentlich cool wenn ich heute wirklich ein Baby bekomme, oder?“
Im Juli 2013, ich habe eine neue Frauenärztin, kommt unsere zweite Tochter zur Welt. Kerngesund, aber diesmal nicht im Krankenhaus. Mit einer Hebamme im Geburtshaus. Nur wir und sie. Es war wunderschön. Wir wollten diesmal alles anders.
Eine Nackenfaltenmessung liessen wir nicht machen- ein Organscreening jedoch sehr wohl.
Ob wir keine Angst hatten? Keine Spur.
Warum wir ein Organscreening nochmals machen liessen obwohl das erste uns ja doch auch keine Auskunft gab?
Auch wenn in unserem speziellen Fall nicht ersichtlich war was uns erwarten würde, so ist es das im Großteil der Fälle schon. Ich wollte vorbereitet sein falls ein Herzfehler/eine andere schwerwiegende organische Schädigung vorlag.
Ich plädiere für eine >bewusste Entscheidung für Untersuchungen der Schwangeren und deren Partner, Aufklärung, ernst nehmen, erklären, begleiten seitens der Ärzte.
Ebenso für eine bewusste Geburt die man erleben kann, wahrnehmen.
Pränataldiagnostik steht für mich für Sicherheit des Neugeborenen- allerdings in einem Rahmen der ethisch vertretbar ist.
Und harte Worte: Ein Organscreening kann Leben retten, eine Nackenfaltenmessung kann es kosten.
Danke für diesen tollen Artikel. Ich bin selbst gerade im 6ten Monat und habe mich eben wegen diesen Gründen gegen die Nackenfaltenmessung entschieden – gleichzeitig war mir das Organscreening sehr wichtig.
Die Aufklärung lässt meiner Meinung nach für Erstgebärende eher zu wünschen übrig – sie findet nicht wirklich statt – weder in der Praxis noch bekommt man vernünftige Informationen von den Krankenkassen. Das finde ich schade.
Ich selbst gehöre zu den Leuten, die sich dann selbst informieren und recherchieren – finde allerdings, dass eine fachmännische Beratung ohne Aufforderung (ich habe gezielt Fragen gestellt) zur ersten Information besser wäre als ewig bei Google und Co. suchen zu müssen.
Danke für die bewegenden Zeilen und das Teilhabenlassen.
Liebe Grüße,
Katharina