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Mein Leben mit dem Besonderen #9 Ein Leserbrief

Hallo liebe Katharina,

mein Name ist Eva und ich bin eine stille Leserin deines Blogs.

Die Reihe „Mein Leben mit dem Besonderen“ spricht mich jeden Freitag aufs neue an und immer wieder komme ich so ins nachdenken, wo ich in meinem Leben mit dem Besonderen in Kontakt stehe. Dabei fällt mir auf, dass ich so viele Berührungspunkte habe, dass ich nicht so Recht weiß wo ich anfangen soll. Ich denke chronologisch ist wohl am einfachsten. 

Seitdem ich in der Schule bin, habe ich Berührungspunkte mit dem Besonderen. Ich habe selber eine Lese-Rechtschreib-Schwäche und musste deshalb die erste Klasse wiederholen. Auch bin ich in diesem Zusammenhang getestet worden und zwar ob ich auf eine Sonderschule muss. Es stand der Verdacht einer Lernbehinderung im Raum, ich hatte aber Glück, mein IQ ist zu hoch. Schwein gehabt, also musste ich nur die erste Klasse wiederholen. 

In der neuen Klasse war ein Mädchen mit einer Tetraspastik, man muss dazusagen, es handelte sich um eine ganz normale Grundschule. Dieses Mädchen wurde meine beste Freundin. Schon früh habe ich so erfahren, was Behinderung bedeutet und mit sich bringt. In der weiterführenden Schule verlor sich mit der Zeit unser Kontakt, sie wechselte an eine integrative Schule in einer anderen Stadt. 

Als ich vor der Wahl meiner Ausbildung stand, wurde ich Erzieherin. Jedoch war mir schnell klar, dass ich in der Kita falsch bin und hab mein Anerkennungsjahr in einem Wohnheim der Lebenshilfe gemacht. Im Anschluss studierte ich noch Lehramt, aber auch hier hat es mich zur Sonderpädagogik gezogen. Erst arbeitete ich an einer Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Lernen. Ich war also endlich da angekommen, wo man mich schon in der Grundschule hinschicken wollte. Heute bin ich an einer Förderschule mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung, zur Zeit aber in Elternzeit. 

Meine ältere Tochter wird nächste Woche drei, die jüngere ist jetzt neun Wochen alt. Und auch während der beiden Schwangerschaften habe ich mich mit dem Thema Pränataldiagnostik auseinander gesetzt. Bewusst habe ich mich bei beiden Schwangerschaften lediglich für den Organultraschall entschieden. Einfach nur um vorbereitet zu sein und eventuell in eine Spezialklinik zu fahren. Und bei meiner Großen hat es mir auch nicht geholfen. Sie musste per Kaiserschnitt geholt werden, hatte die Nabelschnur vor dem Kopf und hatte während der Wehen sehr schlechte Herztöne. Ihr geht es gut, alles ist glatt gelaufen, obwohl sie nach der Geburt erstmal zwei Tage auf der Intensivstation lag. Das hat mir gezeigt, was ich aus meinem Beruf eigentlich immer schon wusste, die meisten Behinderungen entstehen eben während oder nach der Geburt. Eine Sicherheit gibt es nicht.

Viele liebe Grüße
Eva

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Liebe Eva, ich danke Dir noch einmal für Deine Mail und dass ich diese heute hier veröffentlichen darf. Deine eigene Geschichte hat mich sehr berührt und auch wenn Du es selbst abstreitest, finde ich, dass zwischen den Zeilen sehr viel Kämpfergeist steckt. 
Ich finde es immer wieder spannend die persönlichen Geschichten und Erfahrungen mit „Besonderheiten“ zu lesen und freue mich auch nächste Woche einen Beitrag aus der Reihe „Mein Leben mit dem Besonderen“ veröffentlichen zu dürfen. 

1 Kommentare

  1. …dein Brief berührt mich sehr, liebe Eva,
    besonders, dass du schreibst, dass zum Glück bemerkt wurde, dass dein IQ zu hoch war…in meinem Bekannten- und Freundeskreis kenne ich Beispiele, die nicht so viel Glück hatten und dann in einer "Schublade" waren aus der sie nicht einfach wieder raus kamen…in unserer Gesellschaft wird viel zu oft und viel zu schnell geurteilt und die individuellen Begabungen und Fähigkeiten werden nicht beachtet…gut, dass es inzwischen viele Eltern wie Katharina und Rene gibt, die sich einsetzen und für die besten Möglichkeiten für ihr Kind kämpfen…
    danke Katharina für diese interessante und vielseitige Reihe,

    lieber Gruß Birgitt

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