Allgemein, Down-Syndrom, Lillestoff, Werbung

Das kleine alltägliche Donnerwetter

Auch wenn ich am Tag nach Soneas Geburt erst einmal das Gefühl hatte in einem bösen Albtraum gefangen zu sein und alles um mich herum so unglaublich surreal erschien, sind viele Details von jenem Tag in meinem Kopf festgebrannt.

Da war diese Schwester, Schwester Heidi… eine wirklich tolle Krankenschwester, durch und durch kompetent in ihrem Job und die einzige, die es schaffte ein paar positive und sogar ein bisschen Mut machende Worte nach der unsagbar empathiefreie Diagnosenübermittlung durch den Oberarzt zu finden. Mir entging damals nicht ihre beschämte Reaktion auf die unsensible Wortwahl des Arztes. Und als ich anschließend wie in Trance das Bettchen vom Sonnenschein schnappte und aufgelöst auf mein Zimmer verschwand, folgte sie mir leise, setzte sich neben mich aufs Bett, nahm mich in den Arm und erzählte mir von den Kindern mit Down-Syndrom, wie sie heute sind.. Dinge wie „Das Down-Syndrom wird für Sie womöglich irgendwann kaum eine Rolle spielen… schauen Sie sich Ihr Kind an… sie wird ihren Weg gehen… sie ist unglaublich agil und wach… vielleicht hat sie nur eine leichte Ausprägung…“… Worte, die mich nur an der Oberfläche meines Bewusstseins erreichten und doch einen kleinen mutmachenden Hoffnungsfunken in mir weckten.

Heute, sechs Jahre später, kann ich sagen, dass Schwester Heidi in vielem Recht hatte, was sie mir damals sagte, zu Glück. Ja, wir haben wirklich viel Glück gehabt mit unserem Kind, sehr viel Glück. Heute kann ich sagen, dass dieses Kind ein echter Segen ist.

Trotzdem bleibt sie nicht selten eine mittelschwere bis große Herausforderung. Erziehung für Fortgeschrittene. Nicht gerade meine größte Stärke. Ich geb mir täglich wirklich viel Mühe, mache aber dennoch viele Fehler und verzweifle nicht selten an dem herausfordernden Verhalten meines Kindes.
Natürlich könnte ich dasVerhalten vom Sonnenschein mit dem Down-Syndrom entschuldigen. Aber das wäre zu einfach und spätestens seit dem Löwenkind weiß ich, dass dieser Dickkopf nicht mit einem Syndrom zu erklären ist. Das ist genetisch.

In den letzten Wochen und Monaten kann man die Entwicklungssprünge vom Sonnenschein mit geschwellter Brust verfolgen. Im einen Moment legt man sich für einen kleinen Moment zurück und denkt – läuft! … sie ist in vielen Dingen so unglaublich groß und selbständig geworden und dann kommen wieder solche Ausreißer, dass man am liebsten schreiend und heulend davon rennen möchte. Solche Momente, in denen der Sonnenschein im Spiel vertieft ist und man denkt, dass man mal eben den völlig übermüdeten Bruder ins Bett bringen kann und dann keine zehn Minuten später die Treppe runter kommt und eine merkwürdige blaue Tropfspur vorfindet, die bedrohlich ins Wohnzimmer führt und sich dort in einem katastrophalen Ausmaß ausstreckend… so 500 ml Spülmittel wollen schließlich großflächig verteilt sein. Bis tief in die Nacht habe ich geschrubbt, zu beschäftigt um zu schreien oder loszuheulen.

Oder vor wenigen Wochen… Herr Sonnenschein hat die Angewohnheit seine Einkäufe wie Jagdtrophäen auf der Arbeitsplatte abzustellen… auch diese Packung Salz, die der Sonnenschein in einem Moment, in dem ich sie auf der Toilette vermutete, (ohne ein Gramm zu verschütten) in eine Schüssel geschüttet hat… zusammen mit einer Handvoll Münzgeld und einer Ladung Hustenbonbons.
Ach ja… auf Toilette war sie auch… vorher… leider trotzdem zu spät, weshalb ich sie nach dem Salzdesaster erst einmal abduschen und umziehen musste.

Das sind Alltagssituationen, keine Einzelfälle… irgendwas ist immer. Wenn sie nicht immer in so unpassenden Momenten kommen würden, wären sie vielleicht sogar lustig. Manchmal frage ich mich wer von meinen beiden Kindern nun zwei und wer sechs Jahre ist… oder ob beide noch im Babyalter sind. Ach nee… da waren sie noch so herrlich pflegeleicht.

Es gibt zahlreiche Abende an denen mein Mann und ich ausschließlich damit beschäftigt sind die Kinder ins Bett zu bringen. FREIzeit haben wir im Moment so gut wie nie. Der Sonnenschein ist manchmal so überreizt vom Tag, dass sie einfach nicht in den Schlaf finden möchte und dann auch gerne ihren Bruder am Einschlafen hindert. Während ich hier sitze und schreibe, liegt der Sonnenschein neben mir und schläft… endlich… seit fünf Minuten etwa.
Irgendwann war nämlich (wie so oft) der Punkt erreicht, an dem mein Mann und ich es für sinnlos hielten den Sonnenschein zu zwingen im Bett zu bleiben. Dann kommt sie eben noch einmal mit uns ins Wohnzimmer, legt sich ruhig neben uns, bis sich die Einschlafsituation für sie und uns alle entspannt hat, sie endlich loslassen kann und ihren Schlaf findet.
Mag für manch einen nicht konsequent klingen. Dabei habe ich so oft eingetrichtert bekommen, dass Konsequenz das A und O ist, insbesondere bei Kindern, wie der Sonnenschein. Nicht immer bin ich gut darin konsequent zu sein…
Meine Kollegin erzählte letzte Woche, dass es bei ihr keine Debatten gibt beim Schlafen gehen. Wenn es ins Bett geht, wird liegen geblieben, bleiben die Augen zu und es darf auch nicht mehr gesprochen werden. Auch ein Erziehungsansatz… aber definitiv nicht meiner. Der dominante Erziehungsstil liegt mir nicht, ich versuche mich in vielen Dingen auf meine Intuition zu verlassen und meistens gelingt es mir auch ganz gut.

Trotzdem packen mich oft Zweifel, mache ich viele Fehler und habe ich nicht immer die richtigen Ansätze parat. Und manchmal fühle ich mich von dem störrischen, launenhaften Verhalten des Sonnenscheins wirklich überfordert. Am schlimmste sind diese Phasen, in denen sie rumschreit, rumspuckt und um sich tritt… was macht man da? Der Papst hat da sicherlich einen Erziehungsansatz parat, aber auch das ist definitiv nicht meiner. Da hilft leider auch kein „Du gehst jetzt auf Dein Zimmer und kommst erst wieder runter, wenn Du Dich beruhigt hast!“… ich müsste mein Kind schon in ihr Zimmer schleppen… einen Sandsack von 25 Kilo die Treppe hinauf, der sich zu allen Seiten windet… bei meinen Kindern spart man sich das Abo fürs Fitnessstudio.

Und dann ist da ja immer noch das Löwenkind, das weitere Eigenarten mit sich bringt und sich die (negative) Aufmerksamkeit bringenden von seiner Schwester abguckt.

Zum Glück gibt es aber auch noch die wirklich schönen Momente und das Gute daran ist, dass das Positive immer überwiegt und während der Sonnenschein hier friedlich neben mir liegt und schläft, habe ich auch längst den (weiteren) „kaputten“ Sonntagabend vergessen. Ich liebe es meine Kinder beim Schlafen zu beobachten… voller Frieden.

Stoffe: Sweat dunkelgrün, Ringeljersey grün/weiß und Jeans Stars (momentan leider ausverkauft), alle von lillestoff

Schnitt: Minkrea 30212

17 Kommentare

  1. denk positiv
    statt spülmittel hätte es auch farbe sein können, so hat das wohnzimmer eine "grundreinigung" bekommen
    salz und geld…sie sorgt für euer glück und das das geld nie ausgeht 😉
    sie hätte schlimmeres wählen können, andere stopfen klopapier in die toilette und spülen bis es überläuft
    ich weiß ich bin sicher das deine zwerge auch dinge tun die nicht so lustig sind, mein großer hat mit streichhölzern im kinderzimmer gespielt, nicht lustig oder mit der schere stücke aus dem teppich geschnitten weil er doch aussieht wie schokolade und er mal kosten wollte
    der zweite hat wieder und wieder die sitzbälle zerstochen, warum, ja er wollte halt versuchen das der mal peng macht kopf->tischplatte
    beim gatten haben die zwillinge (achtung terrorzwerge im doppelpack sind echt schlimmer) den teppich und sich mit der großpackung penaten imprägniert oder halt alles was ging auseinander genommen etc.

    hör auf deinen bauch, nimm den weg mit dem du dich identifizieren kannst nur so kannst du du selbst sein und das spüren deine kids
    was das schlafen angeht, hm..unser weg ist eine licherkette und musik, der frosch mag es nicht wenn es ganz dunkel ist und wir haben so ne cd mit entspannungsmusik die läuft halt abends, er fordert inzwischen auch richtig ein wenn die musik an ist in sein bett zu kommen
    beim hauen und treten ist das was anderes, sollange sie klein sind hab ich ihnen gut die hände/füße fest halten können und sehr bestimmt nein gesagt, hier wird nimand gehauen, getreten oder gebissen
    andere fangen an zu singen, das irritiert das kind und es hört auf zu treten
    auch ein umdrehen und aus dem raum gehen, einfach nicht beachten hab ich schon erlebt, hat auch geholfen du darfst halt nur nicht zeigen das du dich über das verhalten ärgerst, ist schwer ich weiß frag sie doch in dem moment mal was sie morgen zum mittag essen will? ich schätze sie ist so perplex das sie erstmal still ist….oder frag sie halt welche donats besser sind die mit schokolade oder die mit zuckerguss 😉
    hier war bei kind zwei das zauberwort milchreis
    ich bin mal gespannt was der frosch so für überraschungen für uns parat haben wird
    liebe grüße
    fio

  2. Ach du meine Güte, was hast du für Kollegen? Ich habe es als Kind geliebt und mich absolut geborgen gefühlt, wenn ich bei Mama und Papa im Wohnzimmer auf der Couch kuscheln durfte, wenn ich nicht schlafen konnte. Noch heute kann ich mich daran erinnern und es gibt mir ein warmes und gutes Gefühl. Diese Geborgenheit und das Aufgehoben sein möchte ich meiner Tochter nicht vorenthalten. Und ehrlich gesagt, ist es doch dann für alle Beteiligten stressfreier…
    Liebe Grüße nach Köln von Esther und Lenja

  3. Die Taten mit Spülmittel und Salz kenne ich auch. Auch die vollen Hosen. Dabei haben meine Kinder kein Down-Syndrom. Sondern "nur" genetischen Dickkopf und doofe Ideen. Ich kann Dich da auch total verstehen. Man ist manchmal wirklich ohnmächtig. Mag Dir aber nur sagen.. das liegt wirklich nicht am DS…. 😉

  4. hallo katharina, grad dachte ich du schreibst eine episode aus unserem alltag auf. unsere zwergenkinder sind 'normal' bis auf ein paar weiße unerklärliche flecken im gehirn, aber was heißt das schon. das große zwergenkind ist eine chaotin wie sie im buche steht ;O) am wandregal hochklettern und 5 (ja du liest richtig 5) liter waschmittel im weichspühlfach auskippen damit der teddy auch wirklich sauber wird, sich komplett mit asche einreiben leider mit sachen, denn mama nutzt doch auch tonerde, dem kompost leerfuttern und es als das normalste von der welt empfinden, denn man kann ja das gute essen nicht verkommen lassen, die bettwäsche ihres bettes zerreißen, weil die zudecke sie geärgert hat, den computer putzen leider mit babyöl… das sind nur einige kleinigkeiten, die mich hier zur weißglut treiben, doch wenn der kleine lockenkopf mich anlächelt und meint sie ist jetzt groß und ganz lieb und wollte dem papa helfen, kann man nicht lange böse sein und sie meint es ja nur gut und muss halt eine menge aufholen (sie ist ein pflegekind und lebt seit fast zwei jahren bei uns, wir sind die vierte familie und bald wird das zwergenkind vier). mit dem schlafen gibt es hier auch regelmäßig theater, mit druck erreichen wir aber gar nichts, da hilft meist nur sie viel erzählen lassen und den tag ruhig ausklingen lassen, soweit es geht, denn da ist ja noch das kleine zwergenkind mit fast neun monaten, doch am meisten beruhigt immer noch der herzschlag von mama oder pappa ;O) wenn du über deinen sonnenschein und das löwenkind schreibst bin ich immer etwas erleichtert, es ist nicht nur bei uns so… danke für deine offenheit und dass du uns an eurem leben teilhaben lässt glg sandra mit ihrer rasselbande

  5. Du machst alles richtig, bei der Erziehung kann man nur auf sein Gefühl hören, da kann es kein Patentrezept geben.
    Wir hatten zb das Problem, dass Ella plötzlich mit 3,5 Jahren angefangen hat, bei uns schlafen zu wollen. Als sie dann so 5,5 war, haben wir versucht, ihr das abzugewöhnen, aber das ging einfach nicht. Sie braucht einfach die Nähe in der Nacht. Jetzt war sie 7 und wir bekommen jede Nacht Besuch:) aber wir sind uns sicher, mit spätestens 20 wird sie freieillig in ihrem Bettchen bleiben:)

    liebste Grüße! Daxi

    • liebe daxi, mein sohn ist noch mit 13 morgens unter unsere decke gekrabbelt, nun wo er sie erste freundin hatte und endlich in der pupertät ist kommt er nimmer, nun freu ich mich wenn er ab und an so einen ich muss euch umarmen anflug hat. er ist ein toller junge etwas durcheinander was halt die pupertät so mit sich bringt, sehr hilfsbereit und er hat dieses gespür er kommt mit jedem klar und kann sich gut in menschen hinneinversetzen, der frosch liebt ihn abgöttisch und ich schätze kuschelkinder sind einfach so 😉
      lg
      fio

  6. Hallo Katharina,

    Mir liegt der dominante Erziehungsstil auch nicht besonders. Auch bei uns dürfen die Kinder wenn sie nicht schlafen können wieder aufstehen und dann zu uns ins Wohnzimmer. Bisher klappt das ganz gut und ich bin gespannt wie das weitergeht. Wach halten sie sich zu dritt in ihrem Zimmer eigentlich nicht, aber vielleicht kommt das noch, im Gegensatz zu deinem Sonnenschein sind sie ja noch so klein.

    Ich finde du machst das alles ganz richtig so und ich ziehe meinen Hut vor dir und deiner Leistung! Tschakka ihr schafft das und wenn ihr mal eine Bleibe in der Nähe von Hamburg braucht, dann klingelt gerne bei uns.

  7. Liebe Katharina!
    Du machst das toll und richtig. Immer konsequent sein geht nicht. Ich glaube, das schafft kaum wer. Manchmal muss man eben andere Lösungen finden, sonst sind alle nur noch gestresst und genervt! Und das mit den Selbstzweifeln kenn ich auch nur zu gut; war das richtig, dass ich jetzt nachgegeben habe? Hätte ich anders reagieren sollen/müssen?
    Jedes Kind hat seine Eigenheiten, und jedes Kind treibt einen auf seine eigene Art und Weise in den Wahnsinn 😉
    Alles Liebe, Carmen

  8. Oh liebe Katharina,

    das hast du soo toll geschrieben. In jeder Zeile finde ich mich wieder, auch wenn mein Großer kein "mehr drin" hat. Aber genau diese Abende kenne ich zu gut, auch dieses kaum dreht man sich um, ist am anderen Ende wieder irgendwas explodiert, umgefallen oder ausgeschüttet worden.
    Erst gerade eben als ich meinen Kleinen hingelegt habe dachte ich:

    Ich liebe meine Kinder abgöttisch, aber manchmal ist der glücklichste Moment des Tages wenn sie schlafend (und dabei so süß schnaufend) neben mir liegen…..

    Du machst das wunderbar, und ich habe vollstes Verständnis dafür, nicht immer konsequent zu sein. Ich versuche nur immer konsequent authentisch zu sein. Mehr kann ich auch nicht leisten.
    Mach weiter so!

    Liebe Grüße von
    Almut

  9. Liebe Katharina, das hast du wunderschön geschrieben! Einschlafen ist bei uns auch Hassthema Nummer 1. Er findet nur schwer zur Ruhe…und ich bin doch so ungeduldig. Und Konsequenz? Kann ich auch nicht 😉

    LG
    Karo

  10. …ich beglückwünsche dich dazu, liebe Katharina,
    dass du eher deine Intuition als den "klugen Ratgebern" folgst…ich habe damit gute Erfahrungen gemacht…mach weiter so…
    ich wünsche dir, euch, dass die Kraft, die ihr aus dem Stolz und der Freude über den Sonnenschein ziehen könnt, für die schwierigen Stunden reicht,
    lieber Gruß Birgitt

  11. Ja liebe Katharina, irgendwas ist immer……..und das ist glücklicherweise bei jedem so, bei dir, bei mir und all den anderen liebevollen Müttern, die ständig für ihre Mäuse alles tun 🙂 Man wächst mit seinen Aufgaben, so heißt es immer, auch wenn es nicht immer so aussieht.

    LG Katrin

  12. Ich glaube, du bist eine ganz tolle mama. und ich kenn das mit den nicht so konsequent sein. dazu gehört dann wohl auch, dass das kind auch mal quatsch macht und man sich ärgert. du machst die wichtigste sache richtig: du liebst dein kind. und ärgern dürfen wir uns alle. ist ja nur menschlich.

    du schaffst das. zur not hilft die schokolade! 🙂

  13. Einfach nur toll und ehrlich geschrieben und sovieles nachvollziehbar. ..Danke dafür und ich wünsche euch dass ihr trotzdem manchmal ein bisschen Paarzeit nehmen könnt…liebe und gleichgesinnte Grüße, Astrid

  14. So liebevoll und schön geschrieben und eine große Umarmung für all die Schwestern da draußen, wie Schwester Heidi!

    Liebe Grüße, Tanja

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