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Willkommen in Holland…

…hieß es heute vor einem Jahr für meine Eltern und mich!

Eigentlich hatte Mama ja schon von einigen Tagen in ihrem Leben gedacht, dass dies der schlimmste in ihrem Leben sei. Da wusste sie aber noch nix vom 05. Februar 2009…denn dieser Tag ist bis jetzt an der Spitze der Top 10 in Mamas und auch Papas Bad Days Charts.
Eigentlich hatte dieser Tag sehr gut angefangen. Mama hatte die ganze Nacht mit mir im Arm gelegen und mich immer wieder einfach nur angeschaut. Zum Schlafen war sie zu müde und außerdem hatte sie Angst auf mich drauf zu rollen im Schlaf. In mein Bettchen wollte sie mich aber auch nicht reinlegen. Auch, wenn es direkt dicht am Bett stand, war es doch zu weit weg.
Als morgens die Krankengymnastin durch die Zimmer lief und alle frischgebackenen Mütter zur Rückbildungsgymnastik einlud, dachte sich Mama direkt „Da bin ich dabei!“…fit genug fühlte sie sich dafür. Sie gab mich also im Neugeborenenzimmer ab und verschwand für eine halbe Stunde zur Rückbildungsgymnastik und schwärmte der Krankengymnastin mit vollem Stolz von mir vor.

Als Mama dann um 11 Uhr zur Neugeborenenstation kam, um mich ENDLICH wieder im Neugeborenenzimmer abzuholen (die halbe Stunde ohne mich kam ihr wie eine Ewigkeit vor), lag ich bereits schreiend auf dem Wickeltisch und bekam vom Kinderarzt Blut abgenommen. Mama kam direkt zu mir, um meine Hand zu halten, blieb allerdings ruhig, weil sie zu dem Zeitpunkt noch dachte „Routineuntersuchung – das wird bei allen Kindern gemacht“ und sie war beeindruckt wie laut ich schreien konnte. Hektisches Treiben der Schwestern um ums herum, ich schrie weiter. Die Schwestern sagten zu meiner Mutter, dass sie sich doch hinsetzen sollten, aber sie wollte lieber meine Hand halten. Dann schaute der Arzt auf und meinte auf eine „wunderbar einfühlsame Art“ *Vorsicht Ironie!* „Ich nehme Ihrer Tochter gerade Blut ab…sehen sie hier – Schrägstellung der Augen, Vierfingerfurche, Verdacht auf Down-Syndrom“….PENG!! Das saß! Mama kam sich vor wie in einem Albtraum oder einem schlechten Film, den niemand drehen wollte. Bis heute weiß sie nicht wie sie es geschafft hat mich im Bettchen aufs Zimmer zu schieben…aber das war ihre Antwort auf diesen Verdacht…Down-Syndrom. Den Abend zuvor hatte Mama kurz den gleichen Gedanken…aber bitte, bitte…doch nicht wir! Nach einem furchtbaren Jahr 2008, hatte Mama sich nur noch auf meine Geburt gefreut und sich immer wieder gesagt „jetzt kommt Sonea auf die Welt und alles wird besser!“. Und jetzt? Down-Syndrom? Mama dachte nur noch, dass das Leben sie verarschen will und fragte sich, was sie getan habe, dass jetzt auch noch SOWAS passiert! Sie wollte doch einfach nur glücklich sein…

Papa kam kurz nach den charmant verpackten Worten des Kinderarztes zu Mama und mir ins Krankenhaus. Voller Vorfreude auf uns setzte er sich ins Auto, als Mama weinend bei ihm anrief und nur sagte „Komm bitte schnell ins Krankenhaus! Sonea ist wahrscheinlich krank!“. Er passte sofort eine Krankenschwester auf dem Gang ab und fragte, ob sie sagen könne was los sei. Sie sagte es ihm und er kam statt mit stolzem Vaterlächeln mit versteinerter Miene zu Mama und mir auf’s Zimmer. Mama nahm um sich herum alles nur noch verschwommen und schemenhaft war. Trotzdem wollte sie, dass der angekündigte Besuch kam. Denn wir mussten uns schließlich nicht verstecken und hatten ein gesundes Kind, das besagte zumindest der Ultraschall und das Herz-EKG…aber konnte man das glauben? Ich sollte ja schließlich auch KEIN Down-Syndrom haben, wollte man den Worten der Chefärztin bei der Feindiagnostik glauben. Seit meiner Geburt ist Mama Ärzten gegenüber seeeeehr misstrauisch…

Die Leute, die uns während des Krankenhausaufenthaltes besucht haben, schlossen mich alle direkt ins Herz und taten Mama und Papa einfach nur gut, weil sie alle total positiv auf die mögliche Diagnose Down-Syndrom reagierten und meinen Eltern Mut machten. Die Worte „Herzlichen Glückwunsch zur Geburt Eurer süßen Tochter“ erreichten zwar nicht ihren Empfänger…Mama fragte sich was es da zu beglückwünschen gäbe…sie war traurig und schämte sich dafür, dass sie scheinbar nicht in der Lage war, ein ganz „normales“ Kind zu bekommen. Und Mama wusste, dass das „wahrscheinlich“ vor dem Down-Syndrom am nächsten Tag gestrichen würde und das Down-Syndrom dann ganz alleine und bedrohlich in großen Buchstaben vor uns stehen würde. Sie hatte zwar noch eine klitzekleine Hoffnung, dass das Down-Syndrom am nächsten Tage doch noch verschwinden würde, weil die Ärzte sich geirrt haben oder aber, weil sie aus diesem bescheuerten Albtraum erwachen würde…aber es blieb…DOWN-SYNDROM…in großen Buchstaben, schwer und grau wie Beton.

Meine Eltern trauerten…sie trauerten um das Kind, das sie sich gewünscht haben und nun nicht hatten. Nach ein paar Tagen hatte Mama dick geschwollene Augenlieder, die vom Weinen schon brannten und ganz wund waren. Für sie hieß es „Willkommen in Holland“ wie für ca. 800 andere Eltern pro Jahr in Deutschland. Andere Familien mit besonderen Kindern….viele wunderbare Familien durften wir im vergangen Jahr schon kennenlernen. Und ein paar davon sind mittlerweile richtige Freunde geworden, die wir nicht mehr missen wollen. Ohne uns Extra-Kids würden sich unsere Eltern wahrscheinlich niemals kennenlernen…das wäre doch sehr schade!

Damals im Krankenhaus waren nicht nur meine Eltern total überrumpelt von dem Extra, das ich mitgebracht habe. Auch das Krankenhaus war nicht darauf vorbereitet. Infomaterial konnte man meinen Eltern während dieser Zeit nicht aushändigen. Wir haben es dann auch so geschafft wichtige Informationsquellen zu finden.
Ganz besonders dankbar sind meine Eltern einem früheren Nachbarn von Papa, der selbst Vater eines Jungen mit Down-Syndrom  ist. Er kam zwei Wochen nach der Diagnose zu uns nach Hause und brachte uns nicht nur zwei wertvolle Adressen (Praxis Rodenacker-Krankengymnastik, Frühförderstelle Köln), sondern auch die wunderbare Geschichte Willkommen in Holland mit.
Dann lernten meine Eltern die Außergewöhnlich-Bücher von Conny Wenk kennen…Balsam für die Seele!

Abgesehen davon, dass ich mir seit meiner Geburt Tag für Tag die größte Mühe mache, meinen Eltern zu zeigen wie toll ich bin, obwohl oder gerade WEIL ich das Down-Syndrom habe, fingen Mama und Papa an, sich in Holland einzuleben, sich häuslich einzurichten, die Sprache zu erlernen und Kontakte zu anderen Menschen in Holland zu knüpfen.
Heute…ein Jahr später sieht die Welt schon viel freundlicher aus. Das DOWN-SYNDROM hat Gestalt angenommen…es ist kein graues, starres Gebilde mehr, sondern hüpft und tanzt fröhlich herum und leuchtet in vielen bunten Farben. Vieles ist anders…langsamer und sicherlich auch nicht immer leicht…
Mama und Papa haben immer noch ihre traurigen Momente…aber schon viiiiiiiel seltener und viiiiiiiiiiiel kürzer als noch vor einem Jahr…dafür sorge ich schon…hihi! Und ganz wichtig…sie sind megastolz auf mich und lieben mich so wie ich bin vom ganzen Herzen: Mama denkt immer wieder, dass ich doch eigentlich genau so bin, wie sie sich mich in ihrer Schwangerschaft gewünscht hat. Darf es noch ein kleines bisschen mehr sein? Es darf!

Gestern habe ich mit vielen lieben Menschen meinen 1. Geburtstag gefeiert. Und die, die nicht bei mir sein konnten, haben trotzdem an mich gedacht. 5 (!!) Päckchen brachte der Postbote heute morgen für mich! Manch ein Superstar bekommt weniger Fanpost als ich total schöne Päckchen von lieben und besonderen Menschen. Tausend Küsschen für Euch alle da Draußen für die schönen Geschenke (ich widme Euch noch einen eigenen Blog Eintrag), die vielen vielen lieben Glückwünsche und danke, dass es Euch gibt!

Wäre ich nicht ein bisschen neben der Spur gewesen (Mama tippt auf Impfnachwirkungen oder mal wieder Zähne…nein, ich bin immer noch zahnlos), hätte ich für Euch alle ein Cupcake gegessen. Aber leider hab ich noch nicht einmal mein eigenes geschafft. Irgendwie hatte ich heute keinen richtigen Appetit. Nicht der beste Tag für eine Diät…aber das hier war auch gewiss nicht mein letzter Geburtstag…hihi!

Soooooo viel Kuchen! Oma Birthe hat mir einen ganz besonderen Kuchen gebacken…einen Kuchenmann bzw. -frau! Das ist ein traditioneller Kuchen zum Kindergeburtstag in Dänemark. Auch Mama, Onkel Henrik und Tante Heike haben früher zu ihren Kindergeburtstagen so einen tollen Kuchen bekommen…

Einen Schmetterlingskuchen habe ich auch bekommen!

Uuuuuund…noch mehr Cupcakes!

Auch, wenn ich beim Kuchen essen kaum geholfen habe, ist fast nix übrig geblieben…sooo viel Besuch hatte ich! Das Wohnzimmer ist fast geplatzt, so voll war es! Und weil das heute so ein toller Tag war, gehen wir am Samstag nochmal in die Verlängerung…hihi!

12 Kommentare

  1. Huhu,
    es kommt zwar reichlich spät, aber ich wünsche dir trotzdem noch von ganzem Herzen alles Liebe zu deinem Geburtstag.
    Und die Geschichte, die du erzählt hast, erinnert meine Mama ganz arg an ihre eigene. Wieso wir?? Wieso kann sie kein gesundes Kind zur Welt bringen, wie fast jeder andere auch?
    Naja, jetzt hat sie ja in 10 Wochen die Chance, das Gegenteil zu beweisen, aber je näher der Termin rückt, desto unentspannter wird sie. Was ist, wenn diesmal wieder etwas nicht stimmt??

    Also, meine Süße, machs gut.
    Grüße von Benjamin

  2. Meine Mama sagt, dass sie Deine Mama sehr gut verstehen kann! Meinem Papa und ihr ist es ganz ähnlich gegangen! Aber mittlerweile sind sie wieder guten Mutes und sind froh, dass sie – durch mich – so nette Leute kennengelernt haben! Ich freue mich auch, dass ich Dich als Freundin habe und bei Deinem Geburtstag dabei sein durfte! Es war sehr schön!

    Bis bald! Deine Sarah

  3. Hehe, hättet Ihr die leckeren Bilder vom berühmten Schmetterlingskuchen und den tollen Cupcakes vor der Feier in den Blog gestellt, wäre ich sofort angereist 🙂 Wieder ganz toll geschrieben und die Bilder – Zucker!!!!! Was für ein bildhübsches Mädchen Du bist …. Papa, das wird noch lustig in 13 Jahren!!!!! 😉

  4. Anonym sagt

    Hallo Sonea
    eigentlich wollte ich dir ja nur noch vor dem zu Bett gehen zum Geburtstag gratulieren… und jetzt musste ich erst mal abwarten bis ich die Tasten wieder sehe 🙂 weil ich doch das Zweifingeradlersuchsystem habe und da meine Augen jetzt etwas verwässert sind sehe ich die Buchstaben nicht.
    Deine Geschichte kann ich nur zu gut nachvollziehen ist ja noch nicht so lange her das es mir mit unserem Mondprinzchen Elias auch so ergangen ist, vieles ist jetzt gerade beim durchlesen wieder hochgekommen also doch noch nicht sooo gut verarbeitet wie ich manchmal denke *zwinker*
    so jetzt aber schluß damit ich bin ja hier um dir

    HAPPY BIRTHDAY to youuu ♫♪♫♪♫ vorzu trällern, hoffe ich hab dich jetzt nicht geweckt 🙂
    Liebste Süßeste Sonea wir wünschen dir für dein zweites Lebensjahr Gesundheit, Freude, Liebe Menschen um dich herum und ganz viel FUN mit deinen Eltern und Freunden !!!!

    ☼ Die Sonne soll dir strahlen auf all deinen Wegen ☼

    ganz liebe Grüße und ein dickes Purzeltagsbussal von Elias
    und Uschi

    P.S. Packerl konnten wir leider keines machen weil deine Mama noch immer keine Adresse geschickt hat *zwinker* erinnere sie mal …

  5. Anonym sagt

    Hallo meine süße kleine Sonea,

    deine Startgeschichte hat mich sehr gerührt und es hat mir die Tränen in die Augen getrieben.

    Kleine Maus, du hast dir ganz ganz tolle Eltern ausgesucht und ich freue mich schon sooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooo wenn ich euch drei wieder sehen kann.

    Deine Schwiegeroma

  6. wie schön dieser eintrag. der hat alles!

    ich finde es immer wunderschön bei euch im blog! die bilder strahlen so, und sonea am aller meisten.

    ach….

    und eine tolle groß-familie samt freundeskreis scheint sonea zu haben!!!

    alles liebe von amelie

  7. Oh, da fühle ich mich gleich zurückversetzt in unsere Ankunft in Holland! Bei uns kam das ja erst 6 Tage nach der Geburt.

    Lass Dich knuddeln, heute wissen wir das wir die besten Kinder haben 😉 und coole Mädels *ggggg*

    Die Fotos sind einfach zucker von eurerr großen Maus!

    LG Yvonne

    P.S.: Schick mir bitte mal das Rezept der Cupcakes mit dem weissen Topping *liebschau*

  8. Liebe Sonea,
    nach Deiner Erzählung von den ersten Tagen nach der Geburt habe ich jetzt richtig Tränen in den Augen.
    Ich freue mich, dass Du so tolle Eltern gefunden hast – wo Du doch so eine ganz tolle bist. Die ersten Bilder nach der Geburt sind wunderschön und ich hab gleich die hübsche Sonea erkannt 🙂
    Mensch, wie schön, dass Du mit so vielen lieben Menschen gefeiert hast – war bestimmt ein schöner Geburtstag!
    Ich sende Dir und Deinen Eltern liebe Grüße
    Annett mit Luna

  9. Anonym sagt

    Liebe Sonea,
    auch hier nochmal: Herzlichen Glückwunsch zu Deinem Geburtstag. Deine Startgeschichte läßt auch bei uns viele Erinnerung erwachen – schöne und unschöne. Aber auch wir haben gelernt: Holland ist doch schön!!! Und ich weiß jetzt endlich, warum Dein Papa so hohe Zäune um sein Farm-Haus gezogen hat ;-D

    LG von Leonard und Familie

  10. Liebe Sonea,
    auch hier noch mal nachträglich von Herzen alles Liebe zum 1. Geburtstag!

    Ach, ich möchte Deiner Mama so vieles sagen jetzt – und doch fehlen mir die Worte… Dieser eine besondere Tag an dem wir in Holland gelandet sind, der ist schon mehr als 15 Jahre her – und doch so präsent als wäre es erst gestern gewesen… Und wenn ich dann die "Startgeschichten" von anderen lese, kann ich mich ganz wunderbar da mit hineinversetzen und auch noch mal eine Runde mitweinen!
    Ich knuddel Euch drei mal aus der Ferne
    Angelika

  11. Anonym sagt

    Oh Mann,

    Mama tropft schon wieder die Tastatur voll!!! Dabei sollte das mit den Hormonen doch so langsam gegessen sein, oder? Wahrscheinlich ist sie einfach nur so gerührt von Deiner Startgeschichte, liebe Sonea! Ich find es prima, dass Du so bist, wie Du bist und ich so bin, wie ich bin! Denn: Sonst hätten wir uns NIEMALS kennengelernt und das ist etwas ganz Besonderes – ebenso, wie wir und unsere lieben Eltern was ganz Besonderes sind!

    Kuss von Deiner kleinen Freundin
    Emma.

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