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Mein Leben mit dem Besonderen #111 Meine Tochter ist schlau

Irgendwo in Deutschland wurde vor fast 5 Jahren ein kleines Mädchen geboren. Die ersten Wochen und Monate mit unserer Tochter waren sehr anstrengend. Schon früh suchte sie Blickkontakt, reagierte auf Reize und musste immer und überall dabei sein. Nacht für Nacht verarbeitete sie diese Eindrücke und wir liefen Kilometer durch unsere Wohnung. Als sie mit neun Monaten laufen konnte und ihre ersten Wörter auch sehr früh sprach, lachte unser Kinderarzt und prophezeite uns spannende Abenteuer.

Kurz nach ihrem zweiten Geburtstag sprach sie flüssig, fast grammatikalisch richtig und schmückte ihre Sprache sehr aus. Das hat sich bis heute gehalten und die Gespräche mit ihr erinnern in keinem Moment daran, dass gegenüber ein Kind sitzt.

Früh fing sie an, sich Gedanken über Gott und die Welt zu machen. Warum passt Gott auf uns auf? Warum müssen Menschen sterben? Warum gibt es Menschen, die nicht arbeiten gehen? Fragen, die ihr unglaublich reflektierendes Nachdenken zum Ausdruck bringen.

Mehr und mehr spüren wir, dass sich da etwas zusammen brodelt. Sie liest, schreibt Einkaufszettel und nimmt jedes Wort auseinander. Sie hat keine Lust auf den Kindergarten und ihre Altersgenossen. Sie kriecht mehr und mehr in ihr Schneckenhaus. Neue Situationen bringen sich durcheinander. Es scheint als wäre ihre selbst erschaffene Struktur gestört und die Abläufe dürften sich nicht verändern. Das „Feuerwerk“ in ihrem Kopf macht mir als Mutter große Sorgen. Wie kann ich mein Kind schützen und es gleichzeitig dabei unterstützen eigene Erfahrungen zu machen?

Nach unzähligen Gesprächen in der Kita, beim Kinderarzt und mit einer Psychologin ist die Diagnose fast klar. Unsere Tochter scheint eine Hochbegabung in sich zu tragen. Sie ist unglücklich, gelangweilt und nur durch Futter für ihr Gehirn zu befriedigen. Vor uns liegt ein weiter Weg. Dass wir sie testen lassen müssen, ist für uns sofort klar gewesen. Wenn sie wirklich hochbegabt ist, dann möchten wir ihr mit allen Mitteln helfen. Ich glaube es gibt nichts schlimmeres, als eine unentdeckte Hochbegabung. Sie wird Unterstützung brauchen, um mit ihrem sozialen Umfeld besser klarzukommen. Seitdem wir diese Vermutung haben, bin ich im Alltag ein wenig gelassener geworden. Ich weiss, dass ich Geduld brauche und, dass meine Tochter in vielen Momenten ganz viel Nähe und Schutz braucht.

Keiner weiss, wie die nächsten Jahre werden. Ich weiss nur, dass wir sie bestmöglich unterstützen wollen und die Diagnose „Hochbegabung“ nicht nur als Chance sehen. Fluch und Segen zugleich.   Die Blicke der anderen Eltern, wenn das Feuerwerk im Kopf mal wieder durchbricht, verunsichern mich oft. Auch hier muss ich lernen, dass vieles einfach so ist und meine Tochter so wie sie ist, perfekt ist. Ich würde mir wünschen, dass Eltern nicht immer sofort urteilen und das Gespräch suchen. Seitdem wir offener damit umgehen, ist es für meine Tochter ein wenig leichter geworden. Denn Ruhe und Gelassenheit sind das Fundament für ein sicheres Aufwachsen.

Mehr über Frau Raufuss lest Ihr auf ihrem Blog  www.frauraufuss.de

2 Kommentare

  1. Ani Lorak sagt

    Ohja. Das wird sicher eine Herausforderung. Ich habe keine Erfahrung damit. Mir fällt aber vieles zu und schwierig war es in der Vergangenheit zu verstehen, dass ich schneller im Denken und tiefer bin als einige andere. Es irritiert und es fehlt das Verständnis. Ich wünsche Euch viel Kraft und Energie. Ja. Es ist sicher Fluch und Segen. Ja. Offene Kommunikation ist sicher der richtige Weg.

  2. Andrea sagt

    Bei uns ist zum Glück Kind #3 das wirkliche „Überfliegerle“ und nicht gleich das erste. Die beiden großen Geschwister waren schon schnell dabei und gut entwickelt, aber Kind 3 toppt bei uns alles. Ich bin froh, dass wir im Zwischenmenschlichen keinerlei Probleme haben. Die extreme Eigenständigkeit und die Auslastung ist aufreibend genug. Letzteres wurde uns von der Kinderärztin schon recht früh „prophezeit“ – nach der Untersuchung, als das Kind ein Jahr alt war. Damals habe ich das mehr oder weniger in Frage gestellt bzw. weggelächelt. Woher will sie das nach so einer kurzen Untersuchung wissen? Außerdem haben wir ja genug Spielzeug von den Geschwistern, das wir nutzen können… Ja, dieses Kind IST anstrengend, aber wir kriegen das schon hin. Mit gut zwei hat sich das Kindlein komplett (bis auf Reißverschlüsse und pfriemelige Knöpfe) selber angezogen und auch nach eigenem Gutdünken (von mir vorgeschriebene und vom Kind ungewünschte Kleidung wurde umgehend wieder ausgezogen und in der Wäschekiste oder im Schrank versteckt, sobald ich außer Sichtweite war), mit gerade mal 2 1/2 Jahren waren Puzzle für Kinder ab 4 Jahren dran. Was bin ich froh, dass es jetzt langsam (mit knapp drei und im Kindergarten) besser wird. Denn Bücher sind sehr faszinierend und werden allein ausführlich durchgeblättert. Und die Holzeisenbahn hat auch ihre Reize. Das Spiel mit den Großen klappt immer besser (die zerstörerische Phase bei Lego und Playmobil war hart). Kind #1 hätte in der Grundschule eine Klasse überspringen können (wir haben wegen der emotionalen Komponente abgelehnt und hoffen, dass es die richtige Entscheidung war). Kind #2 ist noch nicht in der Schule und rechnet fast so gut wie das Schulkind. Da sie alle drei ein gutes Sozialverhalten haben, gab es bisher keine Probleme mit ihren Freunden oder deren Eltern. Schief angeschaut hat uns von denen niemand. Das war dann eher familienintern der Fall. Weil „wir“ die gleichaltrigen Kinder der Verwandtschaft „abgehängt“ haben. Da waren wir plötzlich die „bösen“ Eltern, die ihre Kinder auf Höchstleistung trimmen. Dabei war ich die, die keine Vorschulhefte gekauft hat. Die, die nie Bücher dabei hatte, um Wartezeiten zu überbrücken. Die, die nie groß von sich aus weiterführend erklärt hat (bei uns waren Pferde Pferde ohne Unterteilung in Stute/Hengst/Pony/Fohlen/…). Die, die es großartig findet, wenn die Kinder mit Stöckchen und Steinchen drauf los spielen statt fertige Figuren/Tiere/Autos zu nehmen.

    Ich hoffe für euer Mädchen, dass es die soziale Komponente gut in den Griff bekommt. Mit Eltern, die ein Augenmerk auf diese Besonderheit haben, hat sie schon mal das große Los gezogen. Ihr könnt erklären, warum sie sich so verhält, wie sie sich verhält. Und wenn ihr euch an der Stelle mit der Hochbegabung bildlich gesprochen nicht mit den Fäusten an die Brust trommelt, sondern schlichtweg die Tatsache erklärt, ohne Mitleid erhaschen zu wollen (der goldene Mittelweg), dann sollte das klappen.

    Und ich hoffe für dich als Mama, dass du viel gelassener wirst. Lass die Leute doch schief schauen. Die haben ALLE ihre eigenen Baustellen. 😉

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