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Mein Leben mit dem Besonderen #101 Einfach Theo

Für mich wurde mein Leben besonders „besonders“, als mein zweiter Sohn auf die Welt kam. Theo sollte er heißen und heute bin ich mir sicher, wir hätten keinen besseren Namen für unseren Kleinen finden können. Dass es nicht einfach werden würde, war mir klar. Schließlich haben die beiden Jungs gerade mal einen Abstand von 23 Monaten. Aber zu dem Zeitpunkt wusste eben auch noch niemand, dass Theo etwas Besonderes mitbringen würde.

Die Geburt verlief wie erwartet – Theo kam per Kaiserschnitt auf die Welt. Wie auch beim Großen hatte ich leider keine andere Wahl. Aber man macht eben das Beste daraus und so konnte ich mir immerhin ein besonders schönes Datum für seinen Geburtstag wählen. Es war alles gut, ich durfte ihn kurz im Arm halten, ein paar Tränchen flossen und schon war mein Mann mit Theo, der Hebamme und dem Fotoapparat im Kreißsaal. Als er wieder zu mir zurückkam, strahlte er bis über beide Ohren. Unser kleiner Sonnenschein war endlich bei uns!

Im Kreißsaal angekommen, haben wir Theo direkt angelegt und er gab alles! Es klappte zwar noch nicht ganz mit dem Saugen, aber wir hatten ja Zeit. Das war schon ein riesiger Fortschritt im Vergleich zum Großen. Der wollte nämlich partout nicht an die Brust. Ach, was war ich glücklich!

Ein paar Stunden später auf dem Zimmer, legte ich Theo erneut an. Aber auch diesmal saugte er nicht richtig, es war eher ein kräftiges Schmatzen.  Die Krankenschwester meinte nur, wir probieren es später nochmal. Er ist sicherlich einfach noch zu erschöpft. Aber schon kurze Zeit später kam sie mit einem Arzt zurück. Ich wusste gar nicht, was mit mir geschieht. „Herr Dr. So und So möchte eben mal etwas nachschauen bei ihrem Sohn. Wir haben das so eine Vermutung, warum das nicht klappt mit dem Trinken.“ Und schon schleppte der Arzt meinen kleinen Theo zum Wickeltisch und leuchtete ihm in den Mund. „Ihr Kind hat einen offenen Gaumen.“ Wie? Was? Blutet er? Ich war total überfordert, wusste gar nicht, was der Arzt von mir wollte. Die Schwester erklärte mir dann in aller Ruhe, was das Ganze zu bedeuten hat. Theo wurde mit einer Gaumenspalte geboren, d.h. der weiche Teil des Gaumens war gespalten. Weder der Kinderarzt, noch die Hebamme hatten das direkt nach der Geburt festgestellt. Aber die erfahrene Krankenschwester vermutete es auf Grund des Schmatzens.

Und da lag ich nun, ans Bett gefesselt, heulend, allein mit meinem Baby im Arm. Ich wusste ja noch gar nicht, was das alles zu bedeuten hatte.

Als mein Mann kurze Zeit später wieder bei mir war, durchforsteten wir das Internet. Außerdem bekamen wir Unterstützung an die Seite gestellt von einem erfahrenen Kieferchirurgen. Genau diesem Mensch verdanke ich meine mittlerweile erreichte Gelassenheit im Umgang mit Theo’s Schicksal. Wenn es nämlich nach den Ärzten und Schwestern des Krankenhauses gänge, dann wäre mein Kind ja so anders, schwierig. Aber nein, das ist Theo nicht – Theo ist lediglich Besonders. Und ansonsten ist er ein ganz normales Kind.

Die ersten Wochen und Monate waren sehr anstrengend. Theo trank nie genug, war nie satt. Weil er nicht saugen konnte, gab ich ihm die Flasche und half mit etwas Druck auf den Sauger nach. 1 1/2h für eine Mahlzeit waren absolut normal, aber ein sattes Kind leider nicht. Schlaf wurde überbewertet, mein großer Sohn viel zu oft vernachlässigt. Aber irgendwie verging die Zeit doch und als Theo 4 Monate alt war, wurde er im Uniklinikum Frankfurt operiert. Unser Kieferchirurg hatte uns das Klinikum und den verantwortlichen Oberarzt empfohlen und ich bereue es bis heute nicht, dass wir es dort haben machen lassen. Natürlich war es eine wirklich harte Zeit und während ich das ganze hier schreibe, kullern auch schon wieder die Tränen über meine Wangen. Aber ich fühlte mich und vorallem auch meinen Sohn dort in guten Händen. Die Ärzte und Schwestern waren sehr aufmerksam, nahmen sich Zeit für meine Sorgen und gaben mir das Gefühl wichtig zu sein. Wichtig für meinen Sohn! Das hatte ich vorher in einem anderen Krankenhaus schon ganz anders erlebt.

Die OP verlief erfolgreich. Bereits nach einer Woche konnte Theo endlich zum ersten Mal richtig saugen. Er trank seine Flasche von nun an leer, wurde satt. Und jetzt kommt das große ABER. Leider bekam Theo kurz nach der OP einen starken Husten und deshalb ging die Naht zum Teil wieder auf.

Vieles hat sich durch den Eingriff zum Positiven geändert. Theo wurde nun immer satt, er begann schon bald mit fester Nahrung  und man konnte ihm bei Wachsen förmlich zuschauen. Er schrie viel weniger, schlief besser, war sichtlich zufriedener. Und doch schwebt da immer dieses große Fragezeichen. Muss er nochmal operiert werden? Wie wird er sich entwickeln?

Die erste OP liegt mittlerweile fast 2 Jahre hinter uns. Theo ist ein fröhliches, willensstarkes Kind geworden. Er liebt es draußen herum zu toben, am besten mit seinem großen Bruder. Er kann sich wunderbar verständigen, mit Hand und Fuß und im Notfall auch mit der Faust. Nur Sprechen funktioniert eben nicht. Deshalb ist es sehr wahrscheinlich, dass er bald noch einmal operiert wird. Der Spalt muss komplett verschlossen werden, denn neben der Sprache gibt es auch noch andere Gründe, die dafür sprechen. Lange Zeit habe ich mich dagegen gewehrt, wollte das alles nicht noch einmal durchmachen. Doch inzwischen bin ich dazu bereit, bereit meinem Kind einen besonders schönen Weg zu ebnen und dazu zählt eben auch, ihm die großen Steine aus dem Weg zu räumen.  Und dabei darf er „einfach“ Theo sein!

2 Kommentare

  1. Kristina sagt

    Hallo, wir haben Ähnliches erlebt, allerdings könnten wir die Fehlbildung sofort sehen. Unser Sohn hat eine doppelseitige Lippen-Kiefer-Spalte. Wir wussten vor der Geburt nichts davon, unser gemeinsamer Start verlief dementsprechend recht holprig.

    Die Mahlzeiten dauerten, wie bei euch, sehr lange. Die Flasche irgendwann leer aber unser Sohn schon wieder hungrig vom Trinken. Es gab viele Tränen von ihm und genug Verzweiflung auf unserer Seite. Durch Zufall haben wir die richtige Anwendung des Spezialsaugers rausbekommen. Wir wurden durch eine Stillberaterin falsch beraten…
    Der Lippenverschluss ist etwas mehr als zwei Jahre her, die ersten anstrengenden Monate nicht mehr so präsent. Aber eines bleibt – die Angst vor allem was auf ihn und auf uns als Familie noch zu kommt.

    Ich drücke euch die Daumen, dass der Restlochverschluss klappt! Die Kinder stecken das irgendwie besser weg als wir Eltern. nach ein paar Wochen ist vieles vergessen und ihr werdet euch freuen, wenn Theo anfängt zu sprechen

  2. Christina sagt

    Es tut mir leid, dass ihr so einen schweren Start hattet!
    Ich stelle es mir besonders schwer vor, jedes Mal aushalten zu müssen, dass der kleine Zwerg nie richtig satt wurde. Ich drücke euch die Daumen, dass alles gut läuft und Theo bald auch gut sprechen kann!
    Lg Christina

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