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Loben – (k)eine gute Sache?

Vielen Dank für Eure aufmunternden Worte zum gestrigen Post. Ich denke, es ist im Prinzip immer und überall das gleiche und wenn es sich wieder normalisiert und man dahinter blicken kann, erkennt man oft auch einen Grund.
Ich habe mich schon dabei ertappt, dass ich es zelebriert habe alleine durch den Möbelschweden zu schlendern, während ein anderes Kind im Einkaufswagen saß und seine Mutter angebrüllt hat „Ich habe Huuuuunger! Ich will jetzt was eeeeeeessen!!“. Als ich mich bei meiner Freude darüber ertappte, schämte ich mich schon ein wenig. Aber irgendwie ist es doch ein beruhigendes Gefühl, dass man nicht die einzige ist, die kleine Terroristen liebevoll ihre Kinder nennt.

Als der Sonnenschein geboren wurde, hörte ich immer wieder „Loben ist ganz wichtig!“. Später hieß es dann „Nicht zu viel loben!“… was ist denn nun richtig? Ich denke, das muss jeder individuell für sich selbst rausfinden.

Auch ich nutze schon mal Belohnungen und kleine Erpressungen für mich und zähle mehrmals täglich bis drei, um meinen Willen bei diesen kleinen Dickköpfen durchzusetzen.
Dass Belohnungen nicht wirklich der richtige Weg sind, zeigt sich mir, indem der Sonnenschein eben für alles eine Belohnung einfordert und bei der Quantität und den Begründungen ihrer Forderung zeigt sich mir eben auch, dass sie den Sinn einer Belohnung überhaupt nicht richtig verstanden hat. Daran müssen wir noch arbeiten. Dass das Löwenkind mittlerweile neben mir in der Küche steht und nach „Lohnung!!“ brüllt, macht mir deutlich, dass wir sehr akut daran arbeiten müssen.

Ich freue mich riesig, dass ich Euch heute endlich einen Gastbeitrag zum Thema „Loben“ von einer langjährigen lieben Blogleserin veröffentlichen kann.
Anna Hofer ist Stillberaterin, selbst Mutter einer zweijährigen Schmusebacke und im Rahmen ihres Studiums hat sie sich sehr intensiv mit dem Thema Loben befasst.
Mehr über Anna und ihre Arbeit erfahrt Ihr auf ihrer Homepage. Vielen Dank noch mal an dieser Stelle an Anna für diesen interessanten Gastbeitrag.

Wir alle wünschen uns von unseren Mitmenschen angenommen und beachtet zu werden. Wir alle wünschen uns Lob und Anerkennung für das was wir sind und was wir tun. Lob begleitet uns unser ganzes Leben, wir sind damit großgeworden und geben dieses Lob natürlich an unsere Kinder weiter. Warum auch nicht? Lob macht glücklich, beflügelt und bringt uns dazu alles zu tun, um wieder gelobt zu werden. Doch genau an dieser Stelle hat die Sache ihren Haken.

Autoren wie Alfie Kohn („Liebe & Eigenständigkeit – Die Kunst bedingungsloser Elternschaft jenseits von Belohnung und Bestrafung“) stellen die Frage, ob es wirklich reicht, dass wir unsere Kinder von Herzen lieben. Oder ist es nicht viel entscheidender, wie wir sie lieben? Nach Kohns Ansicht besteht ein entscheidender Unterschied darin, ob wir unsere Kinder für das lieben, was sie tun oder für das, was sie sind. Nun wird jeder Einzelne zurecht einwenden: Selbstverständlich liebe ich mein Kind für das, was es ist und das wird ganz zweifelsfrei auch so sein. 

Aber unseren Kindern ist diese bedingungslose Liebe nicht bewusst und sie vergewissern sich deshalb immer wieder aufs Neue, dass dem tatsächlich wirklich so ist. Als Eltern ist es unsere Aufgabe, unseren Kindern ihren Wert glaubhaft und authentisch zu vermitteln. Denn wie wir uns sehen und wahrnehmen hängt stark von den Erfahrungen ab, die wir in den ersten sieben Lebensjahren machen. Die Psychologie spricht hier von der Ausprägung des Selbstbildes und des Selbstkonzepts, also die Gewissheit über den eigenen Wert als Individuum (Selbstwertgefühl). Das Selbstbild setzt sich zusammen aus Gefühlen, Erfahrungen, Bedürfnissen und den Antworten auf die Frage „Was bewegt Dich?“ „Was brauchst Du“? „Wie fühlst Du Dich“? 

Leider neigen wir sehr stark dazu, uns unseren Kindern immer dann besonders positiv zuzuwenden, wenn sie entweder einen Entwicklungsschritt getan haben („Super, Du kannst schon alleine laufen“), eine außergewöhnliche Leistung erbracht haben („Prima, wie weit Du gesprungen bist!“) oder wenn sie sich – nach unseren Maßstäben – besonders gut benehmen („Toll, dass Du so brav warst!“). Kinder fühlen sich in solchen Situationen besonders angenommen und anerkannt. Da dem Lob jedoch immer eine Handlung von ihnen vorausgeht, kann das im Laufe der Zeit dazu  führen, dass sie das Gefühl entwickeln, dass die elterliche Liebe nicht bedingungslos ist. Schließlich wird unterbewusst für sie der Eindruck erweckt, dass sie immer etwas „vollbringen“ müssen, um eine deutlich erkennbare Zuwendung zu erhalten. Im kindlichen Unterbewusstsein entsteht die Verknüpfung: „Aha – wenn ich mich so verhalte, wie Mama es sich wünscht oder ich außergewöhnliche Dinge vollbringe, dann bekomme ich uneingeschränkt Aufmerksamkeit und Zuneigung“. Das hat eine für das Kind verhängnisvolle Kettenreaktion zur Folge: Gewünschtes Verhalten = Lob & Anerkennung – unerwünschtes Verhalten = Strafe & Ablehnung. Durch diesen Zwang fangen Kinder an, ihre eigenen Bedürfnisse zu unterdrücken. Wie bereits oben erwähnt, sind die eigenen Bedürfnisse jedoch sehr wichtig für die persönliche Entwicklung.
Das Schwierige ist, dass grundsätzlich beim Kind der Eindruck entstehen kann, dass man sich die elterliche Zuneigung erst verdienen muss, da sie ja vornehmlich dann gezeigt wird, wenn irgendeine Leistung gezeigt wurde – sie also fast immer an eine Bedingung geknüpft ist. Dieses Empfinden wird auch dadurch verstärkt, dass man im Grunde nie Zuwendung zeigt oder sie gar vorsätzlich entzieht, wenn unerwünschtes Verhalten gezeigt wird. Fliegt der Becher mit Saft absichtlich vom Frühstückstisch, ist die elterliche Reaktion in der Regel nicht positiv. 
Die noch drastischere Kehrseite des Lobens erleben Eltern größerer Kinder, die Belohnungssysteme in Kindergärten gegenüber stehen. Solche Instrumente werden von vielen Eltern nicht nur still akzeptiert sondern auch ausdrücklich gewünscht. Im unerzogen-Magazon 1/2014 las ich hierzu einen sehr interessanten Artikel. Folgende Schilderung einer Mutter eines Kindergartenkindes stimmte mich sehr nachdenklich: „Die Beobachtung, dass viele Kinder nur immer betonen, wie lieb sie seien und die Bestätigung dazu einfordern oder ihren Frust direkt in der Situation schlucken, um es anschließend zuhause raus zu lassen waren nicht Argument genug gegen das installierte Belohnungssystem. Zitat: Meine Kinder legen nun Verhaltensweisen an den Tag, die konkret damit zusammenhängen: „Mama, ich habe BITTE gesagt, warum kriege ich es nicht?“ – „Mama, hast Du gesehen, ich habe geteilt!“ – „Mama, ich habe dies und jenes getan, bekomme ich jetzt ein Geschenk?“ – „Nein, mein Bruder ist nicht lieb, ICH bin lieb!“ usw. Was mir auch auffällt ist, dass sie zuhause abends völlig aufdrehen. Vermutlich unterdrücken sie tagsüber ihre Bedürfnisse.“

Es geht gar nicht darum, ein Kind nicht zu loben sondern die Wahrnehmung eines Kindes als Person. Ohne Manipulation, ohne Bewertung seines Tun und Seins. Was sich so leicht schreibt und liest erfordert von uns, die wir das allumfassende Loben so tief verinnerlicht haben, ein klares Umdenken. Und das nicht ohne Anstrengung und Umsicht. 
Wir alle wünschen uns Lob, im Alltag stellen wir jedoch fest, dass wir nicht ständig und die ganze Zeit gelobt werden. Und hierin liegt der Schlüssel zu einer Alternative des Lobens: Alles in maßen, aber dafür ehrlich und zur richtigen Zeit. Nicht alles was unsere Kinder tun muss kommentiert werden. Oft reicht auch ein Lachen, ein strahlendes, positives Gesicht damit unsere Kinder sich gesehen und angenommen fühlen. Ein „Das hast Du super gemacht!“ kann durch ein „Ja, Du hast gerade viel Spass !“ ersetzt werden. Und schon findet keine Bewertung des Verhaltens des Kindes statt. Für das Selbstbild des Kindes bedeutet das auch eine freie , gesunde Entwicklung. Unsere Kinder wollen per se kooperieren und diese Eigenschaft ist es, die das manipulative Loben im Grunde unnötig macht. 




5 Kommentare

  1. Ich lobe gern und viel, weil ich meine Tochter in Ihrem Handeln bestärken möchte. Und gleichzeitig sage ich ihr (mindestens) jeden Abend vor dem Schlafengehen, dass ich sie immer immer liebe, egal, was sie tut. Und es geht uns beiden gut damit 😊

  2. Ich bin da auch eher bei Anna.
    Aber: Nur weil in dem einem Kochbuch steht "mit Butter schmeckt es besser" heisst das nicht, dass jeder, der mit Margarine kocht, alles falsch macht. Er hat vielleicht nur andere Prioritäten.
    Man kann als Eltern nur selbst definieren "wo will ich mit meiner Erziehung hin, was ist mein Ziel, was ist mir wichtig, meinem Kind auf den Weg zu geben". DAS kann einem kein Buch und keine Theorie abnehmen.
    Beim "wie kann ich das erreichen" jedoch finde ich es sehr inspirierend, mich bei verschiedenen AutorInnen weiter zu bilden.
    (vor 100 Jahren hat man es auch so gemacht ist für mich kein gültiges Argument)

  3. Ein ganz wunderbarer Text von Anna.
    Im Grunde würde ich das auch alles genau so unterstreichen und bestätigen. Klar lobe ich auch, weil es einfach dazu gehört wenn man sich freut, weil das Kind etwas ganz plötzlich alleine schafft. Würde ich etwas anderes sagen als voller Freude "was? Du hast eben ganz alleine xxx??? " aber was anderes wäre auch nicht ich, es wäre nicht autentisch. Wenn ich lobe dann meine ich das auch so aber habe das eigentlich nie so aufgebauscht.
    Es kommen aber eben Zeiten, da stelle ich das alles auch wieder in Frage. Mit meinem Löwenjungen ist das auch so eine Sache. Seit der kleine Bruder da ist, da sucht er diese Bestätigung. Einerseits bricht mir das Herz, weil ich denke, ich mache was falsch, dass er nicht spürt wie sehr ich ihn liebe. Manchmal denke ich, er braucht das weil er Angst hat nicht gesehen zu werden. Fragen wie "Mama bist Du stolz auf mich?" oder "findest Du mein Bild schön?" machen mich dann auch ein bisschen traurig.
    Ja, und dann frage ich mich, ob sich meine Mama damals auch so den Kopf gemacht hat, ich hatte so eine schöne Kindheit, und ja, ich glaube ich wurde auch im gesunden Mass gelobt. Aber das war immer ehrlich und authentisch.Glaubhaft, nie weil man es hören wollte, sondern weil es echt war.
    LG
    Tanja

  4. Ich bin da voll und ganz bei Dir und handhabe das auch rein intuitiv. Falls Du meine letzten beiden Posts gelesen hast, ist das vielleicht auch deutlich geworden. Trotzdem lege ich nicht die Hände in den Schoß und sage laut "ommmm", sondern versuche der Ursache auch auf den Grund zu gehen und überlege oft, ob ich etwas ändern muss. Auch das ist, denke ich, ganz normal.

    Und ich finde es dabei auch immer wieder interessant die Meinung der Experten zu erfahren, mir Tipps und Anregungen zu holen und zu schauen, was davon für uns passt.
    Nach dem Text von Anna zu urteilen mache ich sehr viel falsch… theoretisch. Praktisch schaue ich was für uns und vor allem für die Kinder am besten passt.

    LG
    Katharina

  5. Ich lobe, schimpfe und stelle Ultimaten (heißt das so?) vollkommen aus dem Bauch heraus. Schon vor 100ten von Jahren wurden Kinder erzogen ohne das die Leute Bücher darüber gelesen hätten. Das bestärkt mich in meinem Handeln das es richtig so ist wie ich das gerade tue, weil die Situation und meine Verfassung es eben so will, egal was da ein schlauer Psychologe dazu sagen würde.
    Eltern denken immer sie machen alles falsch und das ist das Falscheste was sie tun können. Jeder ist anders und auch jedes Kind.
    Und noch ein Wort zu dem Wissen um die bedingungslose Elternliebe.
    Kinder wissen es genau, bzw sie erwarten es (auch wenn es in traurigen Fällen nicht so ist) woran man das merkt?
    Unsere Kinder benehmen sich bei uns doch ständig daneben und wo anders, bei Lehrern Erzieherinnen, Therapeuten tun sie plötzlich Dinge die sie bei uns verweigern. warum ist das so?
    Nun, die kinder wissen genau, egal wie frech, oder wie unmöglich sie sich benehmen, wir werden sie trotzdem immer lieben, bei einem fremden ist das nicht so, daher achten Kinder dort sehr genau was sie sich erlauben können.
    Das ist jetzt etwas länger geworden, uuups, aber es tut mir immer weh, wenn Mütter an sich zweifeln. Wir sind die Mutter es ist in uns gewachsen, wir machen es meist einfach richtig wenn wir nicht anfangen zu denken.
    LG
    Martina

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