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Mein Leben mit dem Besonderen #108 ADHS und das Medikamentenproblem oder „Wald statt Ritalin“

Schon vor ganz langer Zeit wollte ich hier bei „Mein Leben mit dem Besonderen“ mitmachen und irgendwie wollte mir das Schreiben nicht so richtig gelingen oder ich wusste nicht wie ich anfangen soll und so strichen viele Monate ins Land bis ich von Katharina – dankenswerterweise – eine kleine Erinnerung bekam. Und plötzlich stand für mich fest wie und über was ich Euch berichten will.

Ich bin Margit, 34 Jahre alt, Mutter von zwei Kindern, Dominik 8 und Annalena 6 Jahre alt, Ehefrau und nebenher berufstätig als Medizinische Fachangestellte.

Ich möchte Euch gerne mit auf die Reise in unser oftmals sehr turbulentes Leben nehmen. Das Leben mit einem Kind mit ausgeprägtem ADHS. Ach ja, und nebenbei noch einem relativ unerforschtem Gendefekt, der Roland Epilepsie, einer Lernbehinderung usw. Das hängt wohl alles mit dem Gendefekt zusammen. Einen Namen gibt es dafür nicht. Ich kann allen Interessierten nur den Ort der Chromosomenanomalie sagen: „Microdeletion 16p13.3“ heißt unser Schreckensmonster. Eigentlich nur ein ganz kleiner Fehler auf dem 16. Chromosom, der aber für viele Sorgen und Probleme sorgt….

Unser allergrößtes Problem ist das Größte aller Monster, das ADHS. Dominik war von Geburt an schon anders als andere Babys. 10 Tage überfällig, trotz toller Wehen nach begonnener Einleitung keine Muttermundöffnung. Und so wurde er in der Nacht zwangsgeräumt, was ihm so gar nicht gepasst hat. Er hatte extreme Probleme in unserer Welt anzukommen. Schon im Krankenhaus hat er einfach nur stundenlang gebrüllt. In der zweiten Nacht hat ihn mir die Nachtschwester abgenommen und ihn im Tragetuch mit durch die Nachtschicht getragen. Bewundernswert. Anders war er in dieser Nacht nicht zur Ruhe zu bekommen. Ich habe Ihn stundenlang gestillt, ihn nur bei mir auf dem Bauch liegen gehabt, die Bindung konnte nicht enger sein – und trotzdem war es unglaublich schwer für Ihn und somit auch für mich. Irgendwann verging das erste Jahre und Dominik wurde ruhiger. Was jetzt folgten waren eigentlich 3 ganz angenehme Jahre. Bis aufs Schlafen, das war nach wie vor ein Kampf und wie oft war unsere Nacht schon um 3 Uhr nachts vorbei…. Richtig auffällig wurde Dominik dann erst wieder mit 4 Jahren. Er kam im Kindergarten gar nicht zurecht, sprechen fiel ihm immer noch unglaublich schwer und auf motorisch hatte er viele Defizite. Und so kamen wir durch sehr viele Untersuchungen im SPZ auf die oben genannten und noch einige mehr Diagnosen.

Aber zurück zum ADHS. Ob es jetzt eine „erfundene“ Krankheit sei oder nicht, in diese Diskussion will ich gar nirgends wo einsteigen. Was aber definitiv Fakt ist: Mein Sohn ist extrem auffallend verhaltensauffällig und hyperaktiv, hat massive Probleme bei einer Sache zu bleiben und seine Gedanken sind überall, nur nicht dort wo sie hingehören. Punkt. Und da hilft uns auch kein leichtfertig entgegen geschmettertes „WALD STATT RITALIN“ (Bei diesem Satz könnte ich die Bäume hochgehen). Dass Dominik Medikamente braucht ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Nur leider haben wir dabei ein weiteres großes Problem. Er verträgt sämtlich „ADHS“-Medikamente nicht, die auf dem Markt sind. Von starken Kreislaufproblemen angefangen bis zum Gefühl dass er auf niedrigste Dosen wie zugedröhnt wirkt, weiter bis zu – leider – starker Aggressivität, ist bei ihm alles mit dabei, was die Nebenswirkungsliste zu bieten hat. Was wir schon alles probiert haben? Methylphenidat („Ritalin“) in unterschiedlichen Dosierungen, „Elvanse“ ebenfalls in verschiedenen Dosierungen bis hin zum Neuesten Medikament in Deutschland „Intuniv“. Zusätzlich zum ADHS soll dies „Tic-Störungen“ verbessern die er ebenfalls sehr auffällig hat. 8 Wochen ging es uns damit soooooo gut. Er hat geschlafen (eine mega Erleichterung für die ganze Familie), er konnte sich in der Schule konzentrieren (er geht übrigens in ein Förderzentrum mit Schwerpunkt geistige Behinderung), er war einfach ein lieber ausgeglichener Junge. Nach den 8 Wochen war es von einem Tag auf den anderen als würde er kein Medikament mehr nehmen. Egal welche Dosis, er reagiert nicht mehr darauf. Da nun wieder starke Aggressivität gegen seine Schwester dazu kam, wurde das Medikament letzte Woche abgesetzt. Und nun stehen wir wieder am Anfang. Während ich hier schreibe läuft er neben mir im Wohnzimmer auf und ab. Er kann sich keine Minute stillhalten, er kann sich keine Minute mit einem Spiel beschäftigen. Er läuft einfach nur, und läuft und läuft… Momentan stehen wir mit unseren Kräften und Nerven wieder ziemlich an, was weiterhelfen wird? Wir wissen es noch nicht.

Aber was ich Euch sagen kann: Trotz aller Sorgen liebe ich ihn abgöttisch. Er ist und bleibt mein – unser – Sonnenschein. Er ist ein kleiner „Michel aus Lönneberga“, genauso süß und schelmisch. Egal was noch kommen wird, ich werde immer für Ihn da sein und ihn so gut ich kann auf seinen eigenen Weg begleiten.

Vielleicht liest das hier ja der oder die Richtige und wir finden einen Tipp, einen Weg den wir bisher noch nicht für möglich gehalten haben …

Ich werde Euch gerne mal wieder berichten wie es bei uns weitergeht, wenn Ihr das wollt. Bis dahin liebe Grüße und einen schönen Rest-Sommer. Margit

 

5 Kommentare

  1. Alexander sagt

    Liebe Margit,
    ich weiß nicht, ob Du auch offen für „alternative Ansätze“ oder doch eher der Schulmedizin zugeneigt bist. Unsere 2,5-jährige Tochter hat eine Deletion auf dem 15. Chromosom, genannt Angelman-Syndrom. Seit wir parallel zu den übliche Therapien (Bobath, Logo, Frühförderung, etc.) mit alternativen Sachen arbeiten, zeigen sich erste kleine Fortschritte. Wir haben bspw. mit dem s.g. Body-Talk-System sehr gute Erfahrungen gemacht. Kinder mit Angelman-Syndrom „brabbeln“ selten bis nicht und lernen höchstens einzelne Worte schlecht verständlich „sprechen“. Seit wir bei Body-Talk-Sitzungen bestimmte Bereiche des Gehirns „vernetzen“ ließen beginnen erste, momentan erfolgversprechende, Sprechversuche.
    Wenn ich richtig gesehen habe, kommt Ihr aus Köln. Dort finden sich eine ganze Reihe von Therapeuten, die sich mit Body-Talk befassen.

    Ich wünsche Euch weiter starke Nerven und hoffe dass ich Euch helfen konnte

    Alexander

  2. Liebe Margit,
    ich weiß nicht, ob es deinem Jungen mit seinem Bewegungsdrang und den weiteren Beeinträchtigungen möglich ist, ein solches Training zu absolvieren, aber ich habe im Psychologiestudien mehrere Studien dazu gelesen, dass Neurofeedbacktraining sehr positive Wirkungen bei ADHS hat. Man lernt gewissermaßen das Neuronenfeuer im Kopf selbst zu steuern und kann sich dadurch sehr wirksam selbst regulieren. Einige wenige Praxen/Kliniken bieten das schon an. Vielleicht kann euch dieser Therapieansatz weiterhelfen. Alles Gute!
    A.

  3. Elfi sagt

    Hallo Margit, es gibt neben dem SPZ auch die Möglichkeit einer Abklärung durch eine KJP. Manchmal hilft hier die Tagklinik, in der Kinder über einen gewissen Zeitraum unter der Woche morgens bis nachmittags im Bereich Schule, Sozialverhalten, etc. von diversen Fachkräften beobachtet und hoffentlich auch gut diagnoziert werden bzw. therapiert werden. Daneben findet auch Elternarbeit statt.
    Oder du wendest dich ans Jugendamt, bitte nicht erschrecken! Hier gibt es gute Hilfen zum einen für Eltern – die sozialpädagogische Familienhilfe und auch fürs Kind z.B. eine HPT.
    Ein gut arbeitendes Jugendamt steht den Eltern als Partner zur Seite.
    Viele Grüße und viel Kraft Elfi

  4. Knodel Inge sagt

    Hallo Margit, leider kann ich dir nicht helfen. Ich kenne einige Familien die Kinder mit dem Sydrom ADHS haben. Bei denen helfen die Medikamente. Ein Junge geht nun seit einigen Jahren in ein Sportstudio um seinen Bewegungsdrang in den Griff zu bekommen. Am Anfang gingen die Mutter oder die Oma mit. Heute fährt er mit dem Bus (3 Stationen) alleine hin, fühlt sich sehr wohl und würde am liebsten jeden Tag hin gehen. Natürlich braucht er immer noch sein Medikament. Er ist nun viel ausgeglichener was ihm, seiner Mutter (Alleinerziehend) und der Oma sehr gut tut. Ich bin in Gedanken bei Euch und hoffe, dass ihr auch etwas findet was eurem Sohn weiter helfen kann. Liebe Grüße Inge

  5. Elli sagt

    Liebe Margit, einen Tipp oder guten Rat habe ich leider nicht für dich. Ich möchte dir aber meinen grössten Respekt mitteilen. Dein Text hat mich sehr berührt. Spürt man doch in jeder Zeile, wie sehr du euren Jungen liebt…einfach als euer Kind…bedingungslos. Das ist das grösste Geschenk dass er haben kann und ist so wichtig für Kinder. Ganz speziell für die Besonderen unter ihnen. Elli

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